„Die Annahme, wir bedürften der Kunst, um uns unsere Irrtümer, Ideale und aktuellen ästhetischen Wertvorstellungen vor Augen zu führen, ist irrig. Ein Blick auf unseren Umgang mit Pflanzen reicht völlig aus. Wir reißen ab, köpfen, halten kurz, stutzen, vergiften, rotten aus. Kein Kraut scheint gewachsen gegen unsere Wut auf den Wildwuchs.“* Dieses KunstRätsel entstammt der Natur, entstammt unserem Gartenwald. Damit wieder MEHR LEBEN möglich sei haben wir der landwirtschaftlich kommerziell genutzten Fläche einen Teil abgetrennt, Trockensteinmauern aufgeschichtet, Stauden gepflanzt und Bäume und mähen dazwischen die Wiese extensiv. Dennoch scheint mir unser Gartenwald mehr denn je als ein Memento mori. Es ist September. Die Beeren sind gegessen. Die Blätter fangen an sich zu verfärben, oder Formen anzunehmen. Das Gras kommt direkt auf die Rotte. Dann haben wir ein Igeljungtier, unterkühlt aber lebendig, gefunden. Dann haben wir das Muttertier gefunden, tot. Vermutlich ein Unfall mit der Motorsense. So ist das, in der zivilisierten Natur. Die einen leben, die anderen nicht. Die einen will man (die Igel), die anderen nicht (die Nacktschnecken). Der Künstler, nach dem wir diesen Totenkopf aus einem (Rhabarber)Blatt machen, verstarb 2020. 1947 ist er in Stams in Tirol geboren. Zeit seines Lebens befasste er sich mit Fragen des Wildwuchses, mit vegetativ Unerwünschtem, mit Ruderalvegetation und Anti-Kultivierung. In Venedig setzte er einen Komposthaufen in den österreichischen Pavillon. An mehreren Orten installierte er Einfriedungen für Wildwuchs ohne Zugriffsmöglichkeit. In Kassel grub er eine Schneise für Unkraut in den dortigen englischen Rasen.
Wer ist der Künstler, der diesen Blatt-Totenkopf vor uns schuf?
*Zitat von Kirsten Claudia Voigt in einem Artikel über den thematisierten Künstler, in: Kunstforum International, Bd. 232, 2015, Kunstverweigerungskunst II, S. 109.)