KunstRätsel 078

„Nichts einfacher als das!“ könnte man denken und doch ist diese schlichte Linie ein eindrucksvolles Kleinod der Kunst der Nachkriegszeit. In dieser Arbeit kulminieren unterschiedliche Topoi, die damals im künstlerischen Fokus waren. Da ist die Ablehnung des „als ob“ – zentral für die seinerzeit kursierende minimal art. Da ist die Frage des Ortes bzw. des Nicht-Ortes, die diese gegangene Linie thematisiert. Auch das Dilemma der Institutionen und der conceptual art sind für das Nachdenken über diese performative Skulptur lohnend. Auch mit dem Blick der land art kann die Arbeit gesehen werden. Anklänge an arte povera, Aspekt des Performativen, eine semiotische Interpretation, die Verklärung des Gewöhnlichen – zahlreich sind die Lesemöglichkeiten der gegangen Linie. Und immer bleibt ein nicht fassbarerer Bedeutungsüberschuss. Wohltuend schlicht und etwas romantisch. Der Künstler, dessen Linie wir diesen Monat so toll finden, ist 1945 in Bristol geboren. Seine Spuren hinterließ er seither weltweit. Von wem ist hier die Rede?

oder

KunstRätsel 78 – dass wir auf dieses Werk, auf die gegangene Linie, nicht schon früher gekommen sind! Wir sind schon früher draufgekommen. Bereits 2019 hat Johannes eine Linie durch Gehen produziert. Wir haben sie auch fotografiert, aber es wurde damals keine KunstRätsel draus. Jetzt ist es so weit. Der Künstler, dem wir mit dieser Arbeit nachgehen, ist bereits vor 55 Jahren gegangen. Es schuf diese performative Skulptur, ohne Publikum, ohne Rahmen-Event. Ein schlichtes, dokumentarisches Foto hat er gemacht. Das Foto als Dokument seiner Spur, und die Spur als Dokument menschlicher Präsenz. Das Gehen ist damit auch eine Form des Markierens. Sobald kein Mensch nicht mehr informelle Pfade anlegt und geht, verschwindet diese Form der Bezüge abseits der offiziellen Vernetzungssysteme. Von wem ist hier die Rede?