Dieses wortlose Poem in sechs Strophen sahen wir auf der diesjährigen Biennale in Venedig.
Aufs Erste vermochte uns die Fotoserie ein Grinsen entlocken: Lustige Idee! Inzwischen sehen wir in dieser Arbeit viel mehr als einen simplen Scherz. Hier trifft eine menschliche Zunge, wesentliches Organ zur Lautbildung, auf das Gerät, mit dem gesprochene Sprache (einst) verschriftlicht wurde. Das Physische, das Sinnliche, das Organische interagiert mit dem Harten, dem Technischen, dem Abstrakten. Mit unserem Sprechen, mit unserer Zunge spüren wir der Wirklichkeit nach und erschaffen sie. Im Portugiesischen, die Künstlerin lebt in Brasilien, bedeutet Lingua sowohl Sprache als auch Zunge. Offensichtlich ist auch die erotische Qualität dieser Arbeit: das Lecken und Schlecken wird genussvoll inszeniert. Wir drehen es um – nicht die Frau schleckt, sondern bei uns ist es Johannes, der sich mit dem Gerät vergnügt.
Die Facetten dessen aufzuspüren, wie Körper und Sprache aufeinander einwirken, stehen seit den 1970er Jahren im Fokus der Künstlerin. Sie studierte Linguistik und begeisterte sich für avantgardistische Sprachpraktiken, allen voran der Konkreten Poesie. Wer ist die Künstlerin dieses Bild-Gedichtes, dem Johannes hier wortwörtlich nachspürt?