(Foto:Flora Fellner)
Derzeit ist es wieder in Mode, kleine Werkstücke selbst zu tischlern, bei der Restaurierung der eigenen Wohnung mit Hand an zu legen und seine Messer zum Schleifen zu bringen anstatt sich gleich neue zu kaufen. Dass aber die Kreissäge, die Mischmaschine für den Mörtel und der Schleifbock auch selbst gebaut werden können, das passt kaum in unser Fertigprodukt-orientiertes Vorstellungsvermögen.
Karl Pölz weiß mit Metall umzugehen. Er ist Experte für angewandte Mechanik und hat Sinn für praktisch-innovative Lösungen. Sein Reich der selbstgemachten Maschinen und Vorrichtungen finden wir in einem unscheinbaren, inzwischen in die Jahre gekommenen Einfamilienhaus, in Freistadt.
Normalerweise stellt man sich eine Werkstatt so vor: Man kauft sich die Maschinen, dann arbeitet und werkelt man damit. In der Werkstatt von Karl Pölz ist das anders. Fast alle Gerätschaften, eine große Werkbank, ein Schrank mit Laden und unterschiedliche kleinere Werkzeuge, die hier zu finden sind, hat er selbst gefertigt: kleinere und größere Nass-Schleifböcke, ein Punktschweißgerät, zwei Mischmaschinen, zwei Kreissägen und selbst das Garagentor ̶ „elektrisch, mit 14 Kugellagern und einer Lebensdauer von 100 Jahren“ wirft Karl Pölz mit verschmitztem, stolzem Lächeln ein.
Das größte Gerät in der Werkstatt ist ein VDF-Produkt (für Nicht-Insider: VDF-steht für Vereinigte Drehbank Fabriken). Karl Pölz hat es seinem ehemaligen Arbeitgeber abgekauft, als eine neue Maschine angeschafft wurde. Die Drehbank, Baujahr 1942, damals „das Beste vom Besten“, hatte einige Bombenschäden und musste von ihm in Stand gesetzt und optimiert werden, bevor er sie in Betrieb nehmen konnte. Sie funktioniert mit Kuppelung und hat 100te von Gängen mit denen die Drehgeschwindigkeit präzise dosiert werden kann.
Fängt Karl Pölz von seinen Werkstücken und Experimenten zum Erzählen an, spricht er in einem Fachjargon, dem wir als Volkskundlerin und Kunsthistorikerin nur bedingt folgen können. Bei vielen Begriffen müssten wir nachfragen: Wir wissen weder was ein Subito, ein Schnellwechselschalter, ein Amerikaner und die Differenz von metrischem Gewinde und Zollgewinde ist.
Karl Pölz erzählt gerne von seinen Überlegungen und, wie er es nennt „Experimenten“. Ein Werkstück nach dem anderen wird vorgeführt. Bei fast jedem meint er, etwas nebenbei und doch mit stolzem Unterton „Das hier, das hat auch kein anderer Mensch!“ Mit dem Umlegen eines einzigen Hebels wird zum Beispiel ein massiver Amboss-Kasten frei im Raum beweglich und kann ohne Kraftaufwand in der Werkstatt dorthin gefahren werden, wo er gebraucht wird. Mehrmals hat Karl Pölz bereits beim Ideenwettbewerb der OÖ Rundschau mitgemacht. Zwei Ideen hatte er für kleine Wasserkraftwerke: eine Vorrichtung, die die Turbinenleistung entsprechend dem Wasserstand regelt und eine Konstruktion für den Reinigungskamm, der Blattwerk und Äste entfernt. Unter anderem hat er noch einen schwenkbaren Muli-Drehkopfaufsatz für die VDF und einen Mechanismus für ein dicht schließendes Schiebetor ̶ „das wäre für viele Landwirte brauchbar, aber es hat noch keiner nachgebaut“ so Karl Pölz ̶ entwickelt. Natürlich hat er nicht das „Rad neu erfunden“, aber kein Gerät, das bei ihm zu finden ist, ist eine Kopie eines anderen. Immer war es ihm ein Anliegen, bestehende Maschinen und Vorrichtungen zu verbessern. „Lange nachdenken und dann weniger arbeiten“ – mit diesem Ansatz baut er seine Geräte. Auch für uns als Unkundige dieser Materie wirken all seine Lösungen logisch nachvollziehbar und praktisch.
Zwei Mischmaschinen, mit Kette und Winkelantrieb, hat er auch gebaut. Denn: „Eine gescheite Mischmaschine kriegt man heutzutage nicht zu kaufen,“ so Karl Pölz. Seine hat ein Handrad mit Gegengewicht und eine dementsprechend genau ausgetüftelte Achs-Höhe, sodass auch der volle Kessel leicht manövriert werden kann und nicht einem die Misch ungewollt entgegenkommen kann. Ergonomisch einfach ist auch das Pedal zum Treten der Arretierung des Kessel zu erreichen. „So muss eine Mischmaschine zu bedienen sein!“ das weiß Karl Pölz mit Sicherheit.
Gelernt hat Karl Pölz Wagner und Karosseriebau, wobei er darauf verweist, dass es den Lehrberuf Karosseriebau damals noch gar nicht offiziell gab. Einer der ersten größeren Arbeiten in seiner Lehrfirma in Waidhofen/Ybbs ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. Jemand, der einen Steyrer 380 LKW ohne Führerhaus gekauft hatte, wollte eine komplette Führerkabine aus Blech. Damals waren die Führerhäuser dieser LKWs aus einer Buchenholz-Grundstruktur, das komplett mit Blech überzogen wurde. Mit sog. Holzschuhnägeln ist dafür das Blech an der Rahmenkonstruktion festgenagelt worden. Dass nach zwei, drei Jahren das Buchenholz morsch wurde, war weithin bekannt. Aus diesem Grund wurde für den erwähnten Kunden ein Führerhaus, vollständig aus Blech, angefertigt. Diese umfassende Blechbiegearbeit per Hand war damals eine kostspielige Neuerung. „Aber“, so Karl Pölz, „auch heute wird in der Lehre der Karosseriespengler anfangs noch viel wie damals mit der Hand gemacht. Nur so bekomme man ein Gefühl für das Material.“ In seiner weiteren Berufslaufbahn hat er für die VOEST und bis zur Pensionierung bei den ÖBB gearbeitet.
Der Wert von Arbeit und die Kompetenz, mit einem Material umzugehen, die man nur in jahrzehntelanger Erfahrung und Einübung gewinnt, ist im Laufe unseres Besuches immer wieder Thema. Karl Pölz zeigt uns eine Kreissägen-Antriebswellen. Seine Kumpels meinten, sowas kann man überhaupt nicht selbst bauen. „Es stecken in einer Antriebswelle zwar 15 Arbeitsstunden, aber machbar ist es.“ Für die Kreissäge mit großem Tisch, schätzt er an die 120 Stunden Arbeitszeit. Die würde er auch verkaufen, meint er, auch wenn er weiß, dass er nur einen Liebhaberpreis dafür bekommen würde. Auch die Blechtüren im Untergeschoß des Hauses sind von ihm gemacht worden. Heute, so Karl Pölz, würde das keinen Sinn mehr machen, denn allein schon das Roh-Blech würde mehr kosten als eine fertige Tür im Baumarkt. Vor kurzem hatte er, wie er meinte, einen Auftrag, der für ihn Sinn machte: Einem in Freistadt gastierenden Zirkus ist ein Teil eines besonderen Kugelgelenkes von einem der Fahrzeuge gebrochen. Zum Nachbestellen gibt es diese alten Teile nicht mehr. Aber mit seinem Können und seinen Geräte konnte er innerhalb kürzester Zeit das passende Teil für den Zirkuswagen produzieren. Bezahlbar ist auch diese Arbeit im Grunde nicht, so Karl Pölz, in einem Nebensatz, bei dem er sich bereits zum nächsten Experiment wendet: eine Stiege, die zugleich Lift ist! Ein Lift, der eine Stiege ist und eine Stiege die ein Lift ist ̶ das hat uns besonders amüsiert! Mithilfe eines, für uns undurchschaubaren Mechanismus, werden während des Absenkens die Stufen zu einer Plattform und beim Hochfahren die Plattform wieder zu Stufen. Dieses Experiment brachte uns in den Keller, in dem die erweiterte Werkstatt von Karl Pölz untergebracht ist.
Hier entdecken wir neben all den beschriebenen Geräten eine weitere Leidenschaft von Karl Pölz: zwei alte PUCH in bestem Zustand. Welche Typenbezeichnung genau, vermögen wir zwei nicht zu erkennen. Die eine jedenfalls, so Karl Pölz, war das erste Motorrad mit Elektrostarter und einen versperrbaren Tankdeckel hat es auch. Für beide Motorräder hat er einen Startschlüssel aus zähem Nirosta-Stück gedreht. Die original Schlüssel waren aus weicherem Metall und die Bakelit-Knöpfe waren kaputt. Die seinen halten ewig! Auch beide Paketträger der Motorräder hat er selbst gefertigt. Auch das hat sonst keiner. Und die Metallringe, die das grüne Gang-Licht und die rote Ladekontrolllampe einfassen, hat er selbst gefräst. Da gab es zwar Teile zu kaufen, aber die schienen ihm von schlechter Qualität.