Christine Ortner: „Es war einmal das Mühlviertel“

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Als ich, Andrea Fröhlich, ein kleines Mädchen war, drei, vier vielleicht, schenkte mein Papa meiner Mama eine Zier-Schüssel. Mit flottem, blauem Pinselstrich ist darauf eine Bäuerin mit ihren zwei kleinen Mädchen zu sehen. Mir war es damals unerklärlich, wie es möglich war, dass meine Schwester, meine Mama und ich auf einer Schüssel sein konnten. Christine Ortner ist die Malerin dieser Keramik.

Malerin wollte Christine Ortner bereits als Kind werden. Ihre Lehrer haben den Besuch einer höheren Ausbildung unterstützt. Doch in Schenkenfelden, da wuchs sie auf, gab es keine weiterführende Schule. Aufgrund der knappen finanziellen Ressource, mit der ihre Eltern wirtschaften mussten, war der Besuche eines Internates nicht denkbar. Seither zeichnet und malt Christine Ortner als autodidakte Künstlerin. Sie habe einfach gezeichnet, sagt sie, immer weiter und weiter, und so habe sie ihren eigenen Stil gefunden.
Ihre Bilder erzählen Geschichten. Es sind Geschichten von früheren Landschaften: von unbegradigten Bächen, von stehen gelassenen Feldrainen und nicht drainagierten Wiesen. Es sind Geschichten von überholter Praxis landwirtschaftlicher Arbeit: pflügen mit dem Pferd, mähen mit der Sense und Besen binden. Es sind Geschichten von vergangener Alltagskultur: religiöse Feste im Jahreskreis, heidnische Rituale und andere gesellige Bräuche. Besonders die Figuren sind charakteristisch für Christine Ortner. Es ist ein Menschentypus, wie wir es gegenwärtig kaum noch kennen. Die Gesichter sind geprägt von karger Kost und die Körperhaltungen zeugen von kontinuierlich harter Arbeit in freier Natur. „Ich habe die ganze Gegend, die Besonderheiten der Mühlviertler Landschaft und seiner Menschen aus der Kindheit, in mir gespeichert.“ so Christine Ortner, die alles aus dem Gedächtnis, nichts draußen in der Natur, malt.

Christine Ortner arbeitete von Anfang an mit Ölfarben. Erst später begann sie auch mit Pastellkreide zu malen. Beide Techniken hat sie sich im Laufe der Jahre selbst angeeignet. Neben der vorrangingen Arbeit mit Öl und Pastell hat sie eine Zeit lang auch Keramiken bemalt. Es gibt Zeiten, da geht sie jeden Tag zum Gemälde, an dem sie gerade arbeitet, dann gibt es, wegen dem Öl und ihrer Technik, aber dazwischen auch wieder Phasen, in denen sie warten muss, bis die Farbe getrocknet ist. Und besonders die Figuren mit ihren feinst modellierten, individuell ausdrucksstarken Gesichtern brauchen besonders hohe Konzentration und präzise Pinselführung.

1986 wurde der erste Kalender zum Thema „Das Jahr am Land“ gedruckt und österreichweit erfolgreich vertrieben. Seither sind sieben weitere Kalender dazugekommen. Sie tragen Titel wie „Das Jahr im Lied“, „Unsere Sagen“ und „Romantische Erinnerungen“. Der Satz, der der Malerin als Botschaft besonders wichtig ist, steht auf mehreren ihrer Kalender: „Ich bin im Gestern verwurzelt, mit der Bitte mit unserer schönen Landschaft behutsam umzugehen und nicht alles dem Fortschritt und der Wirtschaftlichkeit zu opfern.“

Ich erinnere mich, dass mich in der Volks- und in der Hauptschule, wenn es die Ansichtskarten des Österreichisches Hilfswerkes, des Rotes Kreuzes oder anderer Organisationen zu kaufen gab, immer die klaren, idyllischen Bildwelten von Christine Ortner in den Bann gezogen haben. Auch der WWF hat jahrelang Motive von ihr als Karten, die europaweit verbreitet wurden, gedruckt: „Es sind Impulse von unserem Mühlviertel, die ich hinausgeschickt habe in die Welt.“ Eines ihrer Bilder hängt in Paris, im Museum Musée d´Árt NaÏv in Paris, aber es ist ihr nicht so wichtig, zu wissen, wo sie zugeordnet wird. Auch die großformatigen Ölgemälde des zuletzt erschienenen Kalenders zeigen vergangenes, ländliches Leben im Jahreskreis, so wie sie es aus ihrer Kindheit in Erinnerung hat. Das nächste große Projekt, wieder für einen Kalender, ist bereits begonnen: Es wird ein Jahreszyklus mit den Tätigkeiten in den bäuerlichen Wohnräumen.

Auch wenn wohlmeinende Künstler-Bekannte sie immer wieder von der Notwendigkeit, mit der Zeit zu gehen und moderner zu werden, überzeugen wollten, blieb Christine Ortner bei dem Stil und der Arbeitsweise, die sie sich über die Jahre erarbeitet hat. Einer, der sie dahingehend immer wieder bestärkt hat, war Prof. Anderl, ehemaliger Zeichenprofessor am Gymnasium in Freistadt: „Schau nicht nach links und rechts“, riet er ihr, „mal dein Mühlviertel so, wie du es vor deinem inneren Auge siehst.“ Bis heute klingen diese Sätze noch wohltuend und bestätigend. So hat sie sich bis heute keinem Trend und keiner Mode gebeugt und hat stetig und konsequent in ihrer Art weitergearbeitet, auch wenn sie gelegentlich der Zweifel plagte, ob sie nicht doch einmal etwas anderes versuchen sollte. Christine Ortner erzählt: „Vor ein paar Wochen sah ich im Hallenbad einen jungen, großgewachsenen Mann. Er sah aus wie von Michelangelo geschaffen. Ich nahm mir fest vor, gleich zu Hause eine Skizze von ihm anzufertigen. Ich schaute genau und prägte ihn mir ein. Ich bin dann frühzeitig heim und habe ihn gezeichnet. Am Ende musste ich feststellen, dass es dann doch wieder so ein „gestandener Mühlviertler“ geworden ist, mit einer Haltung und einem Gesicht, wie man sie von mir kennt!“ Zum Glück kann Christine Ortner über diese feine Anekdote selbst schmunzeln, bestätigt sie doch, wie sehr ihre Malweise ganz aus ihr selbst kommt.

„Ich freue mich, dass auch junge Leute meine Bilder mögen. “ sagt Christine Ortner. Es ist wohl auch eine Sehnsucht, die durch die Bilder angesprochen wird, eine heile Welt, die es so nicht gibt und auch nie gab. Sie weiß um dieses Dilemma. Die von ihr dargestellten Idyllen hat es so nie gegeben, das Leben war hart, oft auch ungerecht und sie selbst würde nicht mehr in jener Zeit leben wollen. Der Satz „Die Vergangenheit war noch nie so schön wie heute“ kommt mir dazu in den Sinn.

Hörbar wehmütig stellt Christine Ortner fest: „Es ist ruhiger geworden um mich“, fügt aber hinzu „Solange ich selbst berauscht bin vom Malen, höre ich nicht auf, gleich ob ich davon etwas verkaufe oder nicht. Man darf sich nicht ständig mit anderen messen, da kann man komplett verzweifeln,“ das weiß sie „Jeder muss seine eigene Ausdrucksweise finden, nur das macht Sinn und mein Leben wäre um vieles ärmer, würde ich nicht malen.“

Der neue, immerwährende Kalender „Das Mühlviertel meiner Kindheit“ ist im Buchhandel erhältlich.
Zu hören ist Christine Ortner in einer Radiosendung des FRF unter http://cba.fro.at/292853