Tschechien (3. – 10. Mai)
MI, 3. Mai 2023 Fröhlichland – Telc, 132km
Noch die Pezi, das Akkordeon, die Hühner, Oma, Opa, Michaela und Papa verabschieden. Und dann, Mitte Vormittag fahren wir zu zweit los: Wir (Leonie und Andrea, Johannes fährt am 11.5 mit dem Zug bis Berlin, von dort nach Rostock wo wir uns am 17., Mai treffen werden) machen uns auf die Reise und bei Gmünd den ersten Tee. Bei Slavonice, ein kleiner Ort an der Grenze zum Waldviertel, besuchen wir den Museumsgarten von Herrn Karel Tůma. In seinem Muzeum samorostů hat er sein gesamtes Arbeitsleben lang, er war Förster, ungewöhnlich gewachsenes Holz gesammelt, bearbeitet und rund um sein Haus inszeniert. Wir trafen Herrn Tůma beim Rasenmähen. Er öffnete uns den Stadl und zwei weitere Räume in denen er seine Objekte ausgestellt hat. Mich faszinieren auch die zahlreichen „Bonsai“, Nadel- und Laubbäume, die er sein Leben lang „klein gehalten“ hat. Föhren, nicht größer als Leonie! Wir fahren weiter bis Telc, suchen uns via park4night einen Platz für die Nacht. Der Campingplatz, der in der Nähe gewesen wäre, öffnet erst mit Juli. Endlich – Leonie freut sich seit Tagen darauf – kurbeln wir das Dachzelt hoch! Ich merke, ich bin inzwischen geübter und sicherer beim wilden und halb wilden Übernachten. Zudem stehen auf dem großen Schotterparkplatz zwei Wohnmobile. Wir kochen uns im Auto ein leckeres Abendessen und radeln zur schicken Altstadt. Zwischen den Pflastesteinen, zwischen den Arkaden, siedeln zahlreiche Sandbienen. Es ist warm genug, sie fliegen eifrig. Noch sind nicht viele Menschen unterwegs in Telc. Und Leonie lotst mich um die Löcher herum. Aber in den Sommermonaten könnte es ungemütlich werden für die kleinen pelzigen Kerlchen. Retour beim unserem Campingmobil will Leonie ENDLICH Bett! Im Dachzelt ist es heimelig. Der Platz ist ruhig, aus der Ferne höre ich immer wieder Kirchenglocken. Aufgrund der 6 Grad sind wir gut eingepackt und wünschen allseits eine gute Nacht!
DO 4. Mai, Telc – Jihlova, 31 km
Ruhig und relativ kalt war dich Nacht. Wir blieben so lange im Dachzelt verpackt, bis die Sonne, die zu unserem Glück warm schien, uns wieder aufgewärmt hatte. Wir spazierten entlang der Gewässer, die die Altstadt umgeben. Arg schön ist der Stadtkern! Leonie liebt essbare Wildpflanzen. Sie fand ausreichend für ein zweites, frisches, grünes Frühstück: Haselnussblätter, Buchenblätter und Girsch. Mit Bedauern stellte sie fest, dass die Linden noch nicht ausgetrieben haben. Wir gingen bei einer (tschechischen) Führung durch das Schloss mit. Leider ist es derzeit aufgrund von Bauarbeiten nur eingeschränkt zu besichtigen. In den Saal mit dem alten Flusspferdpräparat, das Leonie von diesem Foto kennt, kamen wir leider nicht. Es war Mittag als wir uns auf den Weg nach Jihlava machten. Wieder via park4night habe ich den Parkplatz des Zoo für die Nacht ausgewählt und den gesamten Nachmittag verbrachten wir im großen Tierparkgelände. Wir sahen Tiere, die wir bisher nur aus dem Lexikon kannten. Besonders beeindruckte uns der Marabu mit seinem üppigen Kehlsack und das Zwergflusspferd. Auch die Greifvogelschau, die im Tierpark-Areal stattfand, war eindrücklich. Aus versicherungstechnischen Gründen, Schadenersatzklagen-Befürchtungen, etc. werden in Ö die Greifvögel deutlich weiter weg vom Publikum gehalten als wir es heute erlebten. Die Tiere landeten auf den freien Plätzen zwischen den Menschen, flogen dicht über uns hinweg und ein gefiederter Kerl spazierte auf unseren vorgebeugten Oberkörpern entlang. Leonie fragte bereits ab dem späten Nachmittag ob es schon Zeit sei, das Dachzelt hochzukurbeln. Zu Hause geht sie weder so zeitig noch so gerne schlafen wie jetzt die Höhle am Autodach.
FR, 5. Mai, Jihlava – Litomyšl, 94 km
Heute gab es, damit wir nicht ausschließlich Salat, Tomaten und Mozzarella essen, warme Backerbsensuppe zum ersten Frühstück. Zum zweiten Frühstück, in der Altstadt von Jihlava, radelten wir über arg arg holprige Pflastersteine den Hügel, auf dem Stadt errichtet wurde, hinauf. Das Frühstück im Art Café am Frauentor war lecker und der Platz sonnig. Wir hätten dort einfach sitzen bleiben sollen. Bei allen anderen Versuchen in Jihlava etwas anzuschauen, waren wir erfolglos. An der Kirche zum Hl. Ignatius von Loyola wird die Fassade renoviert. Deswegen ist sie geschlossen. Das Muzeum Vysočiny Jihlava erfährt, laut Plakat am Fenster, eine modernizace. Es hat geschlossen. Die Tour durch das unterirdische Gangsystem, als Katakomben bezeichnet, hätte uns auch interessiert. Sie fand weder um 12 Uhr noch um 14 Uhr statt. Wir sind zu zweit zu wenig Personen. Und wenn ich für drei bezahle? Geht nicht, aus Sicherheitsgründen. Aufgrund meiner sprachbarriere, erfahren wir nicht, weshalb die Tour zu dritt sicherer ist, als mit zwei Leuten. Ok, wir nutzen das was da ist – das per Hand gekurbelte Karussell am Mai-Kitag, radeln zurück zu unserem Reisemobil und machen uns auf den Weg nach Litomyšl. Hier entscheiden wir uns für den Campingplatz: Sowohl wir, als auch unsere Wäsche gehört gewaschen! Der Campingplatz ist eigentlich noch im Aufbau, die Stellplätze können bereits genutzt werden, aber die Clamping-Häuser sind noch Baustellen. Es ist kaum jemand da und die Hauptsache: Es gibt warmes Wasser! SA, 6. Mai Litomyšl – Hradec Králové, 64 km Es regnet als wir am Campingplatz unsere Dachschlafhöhle einpacken. Das Frühstück gibt es deswegen heute indoor. Aber wir amüsieren uns noch über eine Entdeckung: Eines der neuen Ferienhäuser ist ein Stall für ein Wollhaarmammut. Wir versuchen es, aber es lässt sich nicht hervorlocken. Die Altstadt von Litomyšl erkunden wir zu Fuß. Mehrere Kirchen, Wirtschaftsgebäude und das Schloss – alles zusammen UNESCO Weltkulturerbe – bilden ein großes beeindruckendes Ensemble mit vielen netten architektonischen Details. Auch hier wird, wie überall wo wir hin kommen, renoviert. Aber zuerst wollen wir noch ein zweites Frühstück und dafür gehen wir ins Kafemyšl. Eine Art Suchan von Litomyšl. Leider, sagt Leonie, ohne Avocadobrot. Avocadobrot war ihre Standardbestellung beim Suchan, unserem Kaffeehaus in Freistadt. Aber auch nach Kakao und Kuchen sind wir bereit für das Schloss. Vierter Reisetag, zweite Schlossführung auf Tschechisch. Da will ich jetzt schon anmerken, dass Leonie wollte, freiwillig. Wieder kümmern uns weniger die historischen Geschichten von Herrschern, Schlachten und Co. sondern um diverse Details, die uns auffallen: Pferde auf Gemälden, die wie gelangweilte Menschen dreinschauen, Esstische, die so groß sind, dass man sich zuschreien muss, will man jemandem etwas sagen und die Waschtische, die auch nicht mehr Hygiene ermöglicht haben als unser mobiles Waschzubehör derzeit. Auch dass es damals ungewöhnlich war, dass die Eheleute ein gemeinsames Schlafzimmer hatten, fanden wir spannend! Mitte Nachmittag machen wir uns auf den Weg nach Hradec Králové, Königsgrätz. Wieder fahren wir durch Frühlingslandschaft frischer Grüntöne, und immer wieder dazwischen, blüht der Raps. Als Standplatz für die Nacht in Hradec Králové nehmen den Parkplatz beim Park Simkovy sadi. Es scheint die Sonne. Wir radeln kreuz und quer in diesem großen Park herum, ein Stück an der Elbe entlang und dann auch durch die Altstadt. Manche der Spalten zwischen den Pflastesteinen, die in der gesamten Altstadt verlegt sind, sind so breit und so tief ausgewaschen, dass ich Angst habe, dass wir mit den Reifen stecken bleiben. Aber, nix ist passiert. Abends suchen wir uns die Dobrá čajovna, die gute Teestube, von Königsgrätz. Die Teestuben, in denen man das Gefühl hat, irgendwie in einer entlegenen Gegend im Hindukusch zu sein, sind eine tschechische Spezialität. Wir fahren gerne und oft in die Teestube in Krumau. Die Teestube hier hat eine richtig gute, aus der Zeit gefallene Atmosphäre, Tibet-rot lackierte Dielen, Räucherstäbchen, Sitznischen mit Pölstern. So was fehlt in Freistadt. Wir halten unsere warmen Teeschalen, schweigen und genießen. Dann freut sich Leonie, dass sie ENDLICH mal bei Dunkelheit radeln kann, mit den Lichtern, die ihr der Osterhase gebracht hat. Im Park, auf dem Weg zum Auto, sehen wir zwei Männern zu, die mit Feuer jonglieren und, viel aufregender als das, wir beobachten zwei Bisamratten. Sie schwimmen, sie knabbern, sie spielen miteinander, sie klettern in die Wiese. Leonie ist begeistert. Mein Smartphone schafft nur ein schlechtes Foto.
SO, 7. Mai Königsgrätz – Königinhof an der Elbe, 38 km
Es ist kalt. Ich schaue ich nochmals ob es in der Gegend nicht doch wo eine Therme gibt. Leider nein. Wir kochen Tee und wir lauschen dem Konzert der Vögel, vor allem sind es Tauben. Die Ringeltauben kommen zum Frühstück in die Wiese nahe dem Auto. Eichhörnchen spielen wild einen Baumstamm rauf und runter und ein Wildkaninchen hoppelt auch vorbei. Leonie will nochmals durch den Park radeln. Es wird aufgrund der Temperatur nur eine kleine Runde. Dann fahren wir los in Richtung Nordwesten. In Kuks machen wir einen Stopp. Mitten in der hügeligen Landschaft auf einer Anhöhe steht das imposante Hospital Kuks, eine ehemals mondäne Kuranstalt. Wir nehmen die Räder, das Pflaster ist holprig, steil geht es rauf und runter und kalt weht der Wind. Unsere Runde durch das gegenüber liegende Dorf und die Gartenanlage ist dementsprechend kurz. Der Aufenthalt im Gasthaus dagegen ausführlich. Heute gibt die Klassiker der vegetarischen tschechischen Küche: Panierten Käse und panierten Karfiol. Ein Stück weiter in Richtung Königinhof an der Elbe machen wir nochmal Halt. Das Areál Žireč ist ausgeschildert: Barocke Gartenanlage, Kirche, einen Kräutergarten mit Gärtnerei, ein Reha- und Betreuungszentrum für Menschen mit MS, zu dem auch eine öffentliche Cafeteria gehört. In der gibt es Kurkuma Latte von Sonnentor! Wie zu Hause! Wir sind lange im Kaffeehaus. Es ist warm, es gibt einen Käfig mit zwei Wellensichen und einem Kanari und einige Menschen, die gerne mit uns reden würden. Leider können wir immer noch kein tschechisch. Auch auf die Kommunikation „mit Händen und Füßen“ lässt sich in dieser Situation nicht zurück greifen. Leonie zeichnet und beobachtet. Es ist spürbar, dass die Angestellte ihr Klientel gut kennen. Sie verstehen es eine gute Atmosphäre zu verbreiten. Im Radio wird das Biene Maya Lied, gespielt, alle singen mit. Wir sind mitten drin. Das Cyclomuzeum, auch Teil der Anlage, besuchen wir dann auch. Auf drei Stockwerken geht es quer durch die gesamte Geschichte des Fahrrades, inklusive Kinderabteilungen mit Dreirädern, BMX und Einrädern. Von der ersten Draisine geht es bis herauf zu den Rädern der 90er Jahre. Ein Hochrad kann man auch ausprobieren. Faszinierend! Wir fahren noch ein paar Kilometer bis zum Ort mit dem klingenden Namen Königinhof an der Elbe. Hier wollen wir bleiben, wegen dem Elbe-Radweg und dem Afrika-Zoo. Der Campingplatz beim Zoo ist voll, morgen ist in Tschechien ein Feiertag. Aber wir könnten am Parkplatz bleiben, meinte die Dame an der Rezeption und das machen wir auch. Trotz Campieren verboten Schild. Wieder kochen wir Tee und endlich ist viel Zeit für Die unendliche Geschichte.
MO, 8. Mai Königinhof an der Elbe (Johannes, ALLES GUTE ZUM GEBURTSTAG!)
Wir schlafen soo gut, in unserer Dachbox – es war halb neun, als wir aufgewacht sind. Nachdem wir unsere morgendlichen Arbeiten erledigt haben, buchen wir für eine Nacht im Safari Camp. Was für ein Luxus: open air Küche mit Wasserkocher und allem für mich, Bewegung für Leonie. Frühstück mit Blick auf Giraffen, Zebras und Weißwedelgnus, und ein richtig warmes Wirlpool! So warm, dass wir dazwischen zur Kühlung in den ungeheizten Pool hüpfen! Es ist nach halb eins als wir mit den Rädern in Richtung Altstadt los fahren. Wir finden einen absolut empfehlenswerten Eissalon und verkosten ausführlich. Wir radeln weiter auf der Route des Elbe Radweg bis zur Talsperre Königreichwald und wieder retour zum Safari Kemp. Die Bedingungen der Strecke, 12, 13 km werden es gewesen sein, sind sehr unterschiedlich und eine Herausforderung für Leonie. Es ging ziemlich bergab und bergauf, es war grober Schotter und ausgewascher Feldweg, und ein Teil der Route ging auf der Landstraße. Wir strampeln unerschrocken drauf los, finden unterwegs ausreichend saftige Birken- und Buchenblätter zur Stärkung und schauen wie verschieden die Elbe zu beiden Seiten der Staumauer ist. Wir haben es gut geschafft. Gegen fünf Uhr waren wir wieder im Camp. Dann stellte ich die Frage, wie wir weiter machen, mit unserem Tag. Ja, der Safari Zoo, warum ich den da überhaupt frag. Also gut, ab zur afrikanischen Tierwelt! Die gesamte Anlage, sowohl das Camping-Arel als auch der große Zoo, sind sehr aufwändig gestaltet und gut gepflegt. Die Gehege sind äußerst großzügig angelegt und wieder sehen wir Tiere, die wir bisher nur aus dem Lexikon und als Schleich kennen! Es gibt Okapi, Springhasen, Oryx-Antilopen, Mähnenschafe, Riesen-Galagos und wie in Jihlava Zwergflusspferde. Wir gehen und schauen und gehen und beobachten. Am Drill-Gehege wundern wir uns. An den Glasscheiben sind von innen zahlreiche Steinschlag-Schäden. Werfen die kleinen Kerle Steine auf Besucher*innen? Irgendwann habe ich genug, irgendwann haben wir Hunger. Die Sonne geht unter. Wir gehen und gehen, bis wir irgendwann dann doch wieder zum Ausgang kommen. Noch schnell Pasta kochen, nochmal vor dem Duschen in den gut warmen Wirlpool und dann aber ins Bett!
Di, 9. Mai Königinhof an der Elbe – Adersbach, 40 km
Am Vormittag war ausschlafen, zusammen packen und ordnen, frühstücken und Wäsche waschen. Von 11 bis 19 Uhr (!) sind wir im Safari Zoo unterwegs. Eine Stunde davon fahren wir mit einem „Safari Bus“ durchs Gelände, was nicht sonderlich ergiebig ist. Besser, wir marschieren selbst herum und bleiben, wo wir wollen. Da sehen wir mehr. Eine Liste der Tiere, die wir heute beobachten, ist sehr lang. Und als Liste bedingt interessant. Also sollen hier nur jene erwähnt werden, die uns besonders aufgefallen sind. Die Zwergflusspferde zum Beispiel, die gestern in getrennten Gehegen waren, sind heute zusammen (gelassen) und haben sich im Wasser gepaart. Vielleicht. Vielleicht haben sie auch nur geübt. Es war jedenfalls lustig. Ziemlich Bewegungslos, aber doch. Ist ja auch schwierig, wenn man so eine kleine dicke Walze ist. Dann sahen wir, wie die Kapkobra gekackt hat. Leonie meinte, sie hätte was schlechtes gefressen, weil der Kot so ungut aussah. Gleich nach dem Knoten hat sie getrunken. Eine trinkendes Schlange haben wir auch noch nie gesehen, aber das wurde vom ersten Ereignis in den Schatten gestellt. Wir beobachten wie sich die Angola Guerezas mit den Campbellmeerkatzen durch das Gitter, das ihre Gegehe verbindet, ärgern und sekkieren. Diese alte, Gras fressende Dame mischte sich auch noch ein: Sie sollen doch nicht so ein Theater machen! ,so unsere Interpretation. Wir freuen uns über eine Kanal-Röhre, die unterhalb des Geheges der Südlichen Breitmaulnashörner in das Gehege hinein, in einen Beton-Termitenhügel mit Ausgucklöchern führt. Wir beobachten die eleganten Geparden und lernen einen neuen Verwandten der allseits bekannten Erdmännchen kennen, den Fuchsmungo. Und besonders lange saßen wir im dunklen Haus der nachtaktiven Bushbabies (Senegal-Galagos), den neuen Lieblingen von Leonie. Glupschaugig, handgroß, grau-flauschig mit langem Schwanz, irre flink und neugierig. Sie kamen immer wieder zum Spalt zwischen zwei Glasscheiben, wo Leonie gerade den Finger ein Stück durch brachte. Vermutlich war es so 16 Uhr als ich zum erste Mal vorschlug, dass wir jetzt dann gehen könnten. Aber da hatten wir ja die Brillenpinguine, die Elefanten, die Klippschliefer, die Bongos, die Riesenschildkröte und das Dromedar noch nicht gesehen und die Erdferkel, die Karakal und das Tropenhaus auch nicht. Und dann entdecken wir den Ziegen-Streicheln-Bereich, was auch seine Zeit braucht. Dann war es genug. Für die Nacht, und für den morgigen Tag, fahren wir nach Adersbach. Hier gibt es einen simplen Karawanstellplatz der super für uns passt. Vor dem Einschlafen fragte Leonie noch, ob ich glaube, dass sie das letzte Mal in ihrem Leben Bushbabies gesehen hat. Nachdem wir die Möglichkeit, wie und wo sie wieder Bushbabies sehen kann, besprochen hatten, schliefen wir auch schon.
MI, 10. Mai Adersbach – Karpacz, 57 km
Wir frühstücken mit Blick auf die Felsenstadt Adersbach-Weckelsdorf ohne noch genau zu wissen was uns dort erwartet. Wir sind absolut beeindruckt und durchwandern fast alle möglichen Wege durch die Sandstein-Formationen. Die meiste Zeit über wandern wir als Geggies – Leonie liebt nach wie vor Rollenspiele. Und diese Landschaft ist ein Paradies für den roten Berggeggie Roko und den grünen Sumpfgeggie Gil! (Ein Kinderbuchklassiker von Mira Lobe) Die letzten beiden Tage war es herausfordernd Tiere zu fotografieren, heute finde ich, dass die Fotos auch die Dimension der Felsen nur sehr reduziert wiedergeben können. Sonst versuche ich zudem auch primär querformatige Fotos zu machen. Das geht heute kaum. Rund 6 km ist der Rundwanderweg lange. Wir gehen und rasten und führen Geggie-Dialoge. Der grüne Gil fragt den roten Roko ob jeder normale Sand vorher Sandstein war. Roko weiß es nicht. Gil muss unterwegs die verstopften Wasserabläufe ausputzen. Es war 15 Uhr als wir von der Felsenstadt aufbrachen und in Richtung Polen und Riesengebirge fuhren. Der Grenzübergang Mieroszów – Zdoňov auf unserer Route bestand vor allem aus einer Fahrbahnverengung. Hier verlassen wir nach 8 Tagen Tschechien. Was gleich auffällt sind die schlechten Straßen. Ich fahre sehr konzentriert um ja in kein Loch zu rumpeln. Weil es auf der Strecke liegt, machen wir einen Stopp beim Kloster Grüssau. Oje. So viel Gold, so üppiger Stuck, so überquellende Gewölbegemälde. Toll fand ich die gewendelte Holztreppe in einem der Türme der Westfassade: Der Barock der Anlage geht nach der Wanderung durch die so eindrückliche Natur gar nicht und wir sind rasch wieder beim Auto. In Karpacz wollten wir zum Panorama Campingplatz, der ist zwar mit Ausblick, allerdings eine umfassende Baustelle. Wir nehmen den nächsten. Er ist ok, alles da was wir brauchen. Wir richten uns ein Abendessen und haben mal wieder länger Zeit für Die unendliche Geschichte.
DO, 11. Mai, Karpacz – Jelenia Gora / Hirschberg, 17 km
Eigentlich ist der Campingplatz sehr ok. Das Safari Kemp hat da einfach die Latte sehr hoch gelegt. Hier gibt es auch alles was man braucht und die Menschen schauen, dass alles in Ordnung ist.
Wir fahren nach Jelenia Gora frühstücken ins Bistro & Cafe Altanka. Lecker und stylisch. Ich lese Die unendliche Geschichte vor.
Dann entscheiden wir uns für das Naturkundliche Museum. Es befindet sich im Stadtteil Bad Warmbrunn.
Die Vergangenheit als mondäner Kurort sieht man an der Architektur dort an. Wir sind überrascht welch tolle, aufwändige und schön gestaltete Dioramen es nicht nur zu Flora und Fauna vor Ort, sondern mehreren Regionen der Welt gibt.
Wir treffen einige Tiere wieder, die wir in den letzten Tagen lebendig beobachten konnten: “Schau, schau – ein Quastenstachler!“ und auch einen Marabu und Elefanten gibt es. Dann sind wir hungrig und gehen ins Restaurant des Hotel Capar Piroggen essen. Leonie isst eine ganze normale Portion, so schmecken sie ihr.
Wir fahren etwas in der Gegend herum, überlegen, wie wir uns dem Riesengebirge nähern sollen. Anscheinend, wenn wir das richtig verstanden und recherchiert haben, sind die Seilbahnen nur für den Wintertourismus geöffnet.
Ich hatte bei der Reisevorbereitung gedacht, dass wir ein paar Tage hier in Gegend des Riesengebirge bleiben könnten, aber irgendwie lockt uns bereits die Ostsee. Von der Schnerkoppe und den anderen Gipfel guckt der Schnee, herunter. Kalt und eigentlich nicht soo einladend. Eine Ruine entdecken wir auch, aber die Wanderung auf diesen Berg hinauf scheint uns heute zu mühevoll. Wir entscheiden uns, dass wir doch gleich am Auto-Camping Park, er ist Altstadt nahe, Station beziehen. 50 Zloty für die Nacht. 11 Euro.
Wir gehen noch ins Geschäft gleich nebenan ein paar Lebensmittel besorgen und radeln dann in die Altstadt.
Die Altstadt ist groß, irgendwie unförmig. Wir können uns nicht so recht entscheiden ob wir noch wo bleiben wollen.
Wir sind bald wieder retour am Campingplatz und lesen in unserer Dachhöhle bis zum Einschlafen.
Johannes und Gerhard
Heute geht auch für Johannes die Reise los. Gerhard und er fahren mit dem Zug nach Berlin um in den nächsten Tagen bis Rostock zu radeln.
FR, 12. Mai, Jelenia Gora – Przemkowski, 82 km
Wieder haben wir gut geschlafen. Die Gelsen – ja, es war gestern der erste Abend mit Gelsen! – kommen nicht rein in das Dachzelt.
Jetzt lockt uns doch hier in Jelenia Gora noch die Termy Cieplickie im Stadtteil Bad Warmbrunn. Leonie redet täglich vom Schwimmen und vom zu kalten Pool am Safari Kemp. Also ab ins warme Wasser!
Erst gab es noch Salat-Frühstück auf der Picknickdecke vor dem Auto, aber bereits um 10 Uhr waren wir bei der Termy.
Wenn man so unterwegs ist, ist es amüsant welche Unterschiede einem auffallen. Also heute in der Therme …
Gleich neben der Kassa, noch bevor man die Tickets kauft, sind die Straßenschuhe zum Ausziehen und in einen Spintkästchen zu versperren. Wir haben keine Badeschlapfen mit aud der Reise und müssen barfuß gehen. Bei den Duschen der Umkleidekabine gibt es nicht die Möglichkeit die Wassertemperatur zu regulieren. Das Wasser, das raus kommt ist frisch. Und dann gibt in der gesamten Anlage nur vier Liegen. Aha. Es ist nicht vorgesehen das man liegt. Es gibt dafür zahlreiche Hacken entlang der Wand wo man sein Handtuch aufhängen kann. Mehr haben die Menschen nicht mit. Am Nachmittag gibt es zahlreiche Kinder mit schwimmhilfen, das schon. Aber kein Sortiment an Handtüchern, keine Trinkwasserflaschen, keine Jause für zwischendurch, kein Buch oder Sudoku-Heft oder eine Zeitung, keine aufblasbaren Tiere, keine Schwimmbrille, keine Schwimmnudel, keinen Bademantel für den Gang in die Kafeteria, keine Tauchringe, keinen Wasserball. Pro Haken hängt ein kleines Handtuch und darunter stehen die diversen Modelle von Badeschlapfen. Heute haben wir ja auch nicht viel mehr mit dabei, aber wenn wir zu Hause in die Therme fahre, haben wir einen großen blauen Ikea-Sack mit dabei. Also, Handtuch aufgehängt und ab ins Wasser. Es gibt kleinere heiße Becken und größere kühlere, zwei Aussenbereiche, zwei Rutschen, ein Strömungskanal und diverse Sprudel-Stellen.
Richtig ungut fallen die Ratownik auf. Die Aufsichtspersonen, von denen es für eine Therme für meinen Geschmack zu viele gibt, haben eine Miene, einen Gang, ein Gebärden als ob sie hierher strafversetzt worden wären, als ob sie lieber ganz wo anders wären. Sie tragen definitiv nicht zur guten Stimmung in dieser Wellnesseibrichtung bei. Die Ratownik lünmeln auf roten Kunststoffsessenl und wenn sie ein Vergehen gegen die 49. Punkte umfassende Bade- und Hausordnung (leider habe ich sie nicht fotografiert) sehen, pfeifen sie mit ihrer Trillerpfeife und gestikulieren heftig, was dann, je nach Geste, unterschiedlich zu interpretieren ist: nicht laufen, Abstand halten, weiter, oder so. Fotografieren traute ich mich auch nicht.
Wir nützten alle Becken und spielten alle Geschichten, die uns einfielen und in denen Wasser vorkommt, als Rollenspiel. Wie Lisbeth und Madita ins Schlundloch fallen und sie von Abbe rausgefischt werden, wie Geggi Roko von Geggi Gil schwimmen lernt, wie Ronja und Birk im Fluss von Wildtruden verfolgt werden und beinahe den Wasserfall hinunter stürzen. Und Szenen aus der unendlichen Geschichte wobei das Wasser dafür zum Himmel wurde damit Fuchur darin fliegen kann.
Um halb vier begannen wir alles Bereiche, Rutsche, warmes Becken, usw. zum letzten Mal zu machen und dann waren wir kurz nach vier tatsächlich beim Auto.
Bevor wir uns auf den Weg in Richtung Norden aufmachen, brauchten wir dringend etwas zu essen. Es gab nochmals, wieder im von gestern bewährten Hotel Casper, einen Teller Piroggen für jede. Leonie kontrolliert, ob sie jedem gleich viel gegeben haben.
Dann, so die Idee, wollen wir jetzt an die Ostsee.
Wir fahren rund 80 km Richtung Norden und suchen via park4night eine Schlastelle. Es wird der Parkplatz am Naturpark Krajobrazowy, der hier für Wanderungen in dieses Natura 2000 Gebiet angelegt ist.
Johannes und Gerhard, Berlin, Mitte – Oranienburg, +/- 40 km
Johannes und Gerhard kamen, nach einer im Sitzen verbrachten Nacht im Zug, frühmorgens in Berlin an. Sie trafen Rosa, die gerade auf Uni-Exkursion in Berlin ist, beim Brandenburger Tor. Dann radelten die beiden Männer erst in der Stadt und dann in Richtung Oranienburg aus der Stadt hinaus. Dort verbringen sie ihre erste Nacht auf dem Campingplatz.
SA, 13 Mai, Przemkowski Park Krajobrazowy – Karlshagen, 473 km
Hundegebell, von Nah und Fern, hat die Nacht geräuschvoll begleitet. Es erinnerte mich an unsere Radreise 2019.
Ich bin zeitig wach, beginne aufzuräumen und damit ist auch Leonie bald munter. Es ist 7 Uhr also wir nach einer Basis-Morgentoilette und ohne Frühstück los fahren in Richtung Ostsee.
In einem Feld sehen wir Kraniche. Haben wir außerhalb von einem Zoo so noch nie gesehen.
Als wir hungrig wurden, machten wir uns Tee und Müsli an einem Autobahnrastplatz.
Eine zweite Pause gibt es bei McDonalds, einer Institiution, um die ich sonst auch einen großen Bogen mache. Aber sonst fahren wir. Der erste Teil der Strecke führt über kleinere und größere Landstraßen, dann fahren wir auf der A3 Richtung Stettin und östlich an Berlin vorbei auf die Insel Usedom.
Hier sind Leonies Foto-Impressionen von unterwegs:
Wir verlassen Polen und kommen nach Deutschland.
473 km. Wir führen Rollenspiel-Dialoge: Mal sind wir Geggies, mal Atreju und Gmork aus der Unendlichen Geschichte, mal taucht Geggi Gil in der Unendlichen Geschichte auf. Und als wir das erste Mal Berlin auf einem Schild lesen, werden wir zu Anna und Thomas, den Kriminalkommisaren aus einem Buch der Autoren Bielefeld und Hartlieb, das ich Leonie, mit ein paar Auslassungen, vorgelesen habe.
Hier geht es in Wolgast über die Peneebrücke auf die Insel Usedom. Diese Brücke ist eine kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke, die hochgeklapot werden kann, was auch täglich mehrmals gemacht wird. Und irgendwann sind wir da. Juhuuu! Wir sind an der Ostsee!
Wir buchen für zwei Nächte im Dünencamp Karlshagen. Ein klassisch schöner Platz! Kiefern-Altbestand, mehrere Strandzugänge durch einen dicht bewachsen Damm. Saubere Sanitäranlagen und freundliche Menschen.
Und mit hungriger Nebelkrähe. Nur kurz sind wir vor dem Essen noch aufs Klo. Und als wir retour kamen, da hatte sie das Laugenweckerl von Leonie schon angefressen! Wir sind am Strand, wir radeln in Richtung Ort, wir kochen und lesen in der netten Camping-Gaststätte bei Orangensaft und Aperol in unserem Buch. Wir schlafen nur mit Moskitonetz und Blick in die Kiefern und hören das Rauschen der Ostsee. Paradiesisch. Wir haben bereits beschlossen, dass wir noch für eine weitere dritte Nacht reservieren werden.
Johannes und Gerhard, Oranienburg – Himmelpfort am Stoplsee, +/- 80 km
Johannes und Gerhard radeln entlang der Havel und vielen Seen durch Brandenburg. Die Landschaft ist wunderbar und die Infrastruktur, so berichtet Johannes, bestens.
Weiteres schreibt er mir: „Seit gestern bemühen sich die Gelsen in Schwärmen um unser Blut. Da hilft nur Anti-Brum forte. Ich habe gleich eine große Flasche gekauft.“
SO, 14. Mai, Karlshagen, Dünencamp
Meer geht immer! steht auf einer der Bänke entlang vom Damm.
Wir machen einen Strandspaziergang nach Südosten. Bis zum Strand vom nächsten Ort, Trassenheide, wollen wir gehen. Die dortige Strandbar Surfbox ist unser Ziel. Für die gut 7 km hin und zurück brauchen wir etwas über vier Stunden. Eine Weile sitzen wir davon auch in der Surfbox, zum Glück hat sie offen und es gibt zu essen und zu trinken! Und es ist ein stylischer, junger Platz. Aber die meiste Zeit gehen wir. Ein paar Schritte und dann gibt es wieder eine Muschel, eine eigenwillig Spur, bei der Leonie vermutet, sie könnte von einem Wesen der unendlichen Geschichte sein. Oder ein Insekt, lebendige oder tot, und sogar eine tote junge Möve. Wir fragen uns, wie es dazu kommt, dass so arg viele tote Insekten am Strand liegen. Richtig schwarze Spuren aus Insekten. Nein, Leonie, wir werden sie NICHT mitnehmen und ein Präparat daraus machen lassen. Dann will Leonie ins Meer. Genau genommen wollte sie bereits gestern und heute früh gleich wieder. Lange dauert der Badrausflug nicht und wir gehem warm duschen und warm föhnen. Der Campingplatz ist toll. Gut organisiert, saubere Sanitärhäuser, mit Kinder-Infrastruktur. Waschbecken und Spiegel in Rot findet Leonie besonders gut. Und vor allem ist das Meer so nah und immer zu hören.Wir kochen, radeln noch ein Stück, testen den nahen Spielplatz bevor wir in unser Bett klettern.
Johannes und Gerhard Himmelpfort am Stolpsee – Kratzeburg am Käbelicksee, +/- 60 km
An ihrem dritten Tag kommen Johannes und Gerhard von Brandenburg nach Mecklenburg. Sie besuchen den Gedenkort Ukamark und Ravensbrück. „Viel bedrückende Geschichte, viel Natur und Kultur.“ schreibt Johannes. Es ist Sonntag. Es werden die Trabis aus den Garagen geholt und damit den DDR Zeiten gehuldigt.Abends nehmen sie den Zeltplatz der Naturfreunde in Kratzeburg am Käbelicksee. Die Schönheit der Mecklenburgischen Seenplatte fordert ihr Tribut: Abends fallen Myriaden von hungriger Stechmückenweibchen auf der Suche nach ausreichend Eiweiß für ihr Nachkommen über Gerhard und Johannes her. Da bleibst nur die baldige Flucht ins Zelt: „Alles Gut. Liebe Grüße, Johannes“ MO, 14. Mai Karlshagen, Dünencamp Wir dachten, wir gehen Frühstücken in die Camping-Gastro. Den Platz hier kann ich wirklich empfehlen, aber um das Frühstück dort macht man am besten einen großen Bogen. Zu pampig das Gebäck die. Zu lieblos die Bedienung. Unverschämt der Preis.Wir wollen radeln. Trotz vieler Schilder und maps finde ich den Einstieg in den Radweg zum Ort Peenemünde nicht. Wir fahren das erste Stück entlang der Straße. Aber dann kreuzen wir doch den Radweg und finden mehrere Fragmente der dunklen Usedomer Geschichte während des 2. WK direkt entlang der Strecke. Ein großes Gebiet ist nach wie vor unzugänglich: Hier in Peenemünde befand sich eine Heeresversuchsanstalt in der Raketen entwickelt wurden durch die tausende Menschen zu Tode kamen. Die Ruinen der militärischen Anlagen sind noch sichtbar und zum Teil denkmalgeschützt. Alle historischen Fragmente sind ausgeschildert und gut beschrieben. Entlang der Strecke liegen kilometerlange unzählige Betonelemente auf denen damals ein Fernheizsystem installiert war. Das ist die Ruine vom Werk für flüssigen Sauerstoff für den Raketenantrieb. Es gäbe ein Museum und weitere Ruinen der Anlage.Bei weiterer Recherche stelle ich fest, dass es einen Bezug zwischen dem KZ Ebensee und den dortigen Stollen und hier gibt. Das Raketen-Fertigungswerk sollte aus Peenemünde verlagert werden, dafür wäre die Stollenanlage im Salzkammergut gedacht gewesen. So die Kurzfassung. Schiach. Wir radeln weiter. Ich versuche zu erfassen was das alles für Anlagen waren, schau das wir nicht mit den zahlreichen anderen Rädern kollidieren und Leonie will einen neuen Fall unserer beiden Kriminalkomissare spielen. In Peenemünde hat am Montag alles zu, außer dem Dorfladen und der hat alles was wir wollen! Eine verhältnismäßig nette Mitarbeiterin, sie spricht nur in einzelnen Worten zu uns, bedient uns. Wobei ich den Eindruck habe, dass sich in der Kommunikation etwas sehr protestantisches durchzieht. So was von effekt- und emotionskontrolliert! Rund 7 km hin und dann wieder retour sind es von Karlshagen nach Peenemünde. Wir gehen noch einkaufen – es kochen heute Herr und Frau Iglo für uns: Der Wind weht kalt. Besonders am Strand. Leonie test erst noch, ob es in Sommer Bekleidung geht. Leider nein. Wir gehen ein Stück und sitzen und lesen. Dünencamp Karlshagen. Alles in allem ein guter Platz. Wer mal nicht nach Caorle, Bibione und Co. will, der könnt auch an die Ostsee fahren. Johannes und Gerhard Kratzeburg am Käbelicksee – Jabelscher See, 60 km Johannes berichtet: „Nach einem erfrischenden Bad im Käbelicksee sind wir durch wunderbare Landschaft mit alten riesigen Bäumen geradelt. Eine Pause machten in der sehr touristischen Stadt Waren. Dann radeln wir weiter bis Jabel. Hier übernachten wir am gleichnamigen See ( Jabelscher See). Schwarze Wolken und ein kurzes Gewitter haben die Schönwetterphase beendet. „In Venedig hätten wir gesagt denen ist das Geld für die Fassadengestaltung ausgegangen. Aber die Protestanten mögen das so.“ Und so wie gestern, sind wir auch heute wieder ca 60 km geradelt. 130 km sind es noch bis Rostock. Es fängt wieder zu regnen an. Ich hoffe, mein schon etwas verbrauchtes Zelt hält dem Wasser stand.“ DI, 16. Mai Karlshagen – Zingst, 123 km In Freistadt ist heute um 5:21 Uhr Sonnenaufgang gewesen. Hier in Karlshagen, einige 100 km nördlicher bereits um 4:59. Wir wollen heute auf die Halbinsel Zingst, zwischen Rostock und Stralsund, weiterfahren. Es hat abgekühlt, wir frühstücken im Untergeschoss. Uns fallen hier in der Gegend zahlreiche aufwändig bemalte Flächen und Gebäude auf. In Greifswald machen wir einen ersten Stopp und gehen ins Café Koeppen. Im Gebäude befindet sich das Archiv für den in Greifswald geborenen Autor der Nachkriegsjahre, Wolfgang Koeppen, ein Raum für literarische Veranstaltungen und das Kaffeehaus mit Verkaufsbereich für regionale Produkte. Eine, wie ich finde, gelunge Kombination, ein netter Platz mit stylischem Interieur. Ich versuche es wieder, sage der Angestellten, dass ich es gelungen und schön finde und die Kombination von Literatur und gutem Essen ja genial ist. Ich entlockt ihr damit tatsächlich ein „ja“. Auf dem Tresen ist eine Karte aufgezeichnet, die alle vier Stationen unseres Tages zeigt: Karlshagen, Greifswald, Stralsund und Zingst. In Stralsund gehen wir ins Oceaneum. Wir fahren, Parkplätze sind auch in Stralsund begehrt, ins Parkhaus. Wir haben Glück, es geht sich aus. Selbstverständlich sind wir im Oceaneum fasziniert! Von einem Teil eines gestrandeten Finnwal ist das ein Feuchtpräparat. Ein Rätsel, besonders für die mitlesende Medizinerin: Was ist das? Neben dem allgemeinen Bereich zu den Weltmeeren gibt es je einen Bereich zur Ostsee und zur Nordsee. Wieder sehen wir zahlreiche Tiere, die wir bisher nur aus unseren Tierlekika, bzw. als Modell oder Präparat aus dem nhm, Wien kennen! Hier die Seegurken mit ihren ausgestülpten Innereien. Hübsch! Forellen, die bei den Aquarium-Bedingungen groß und prächtig sind. Steinputt, gut getarnt. Leonie’s Lieblinge, die Seehasen. Warum hier der Gestreifte Seewolf so müde herumliegen, wissen wir nicht, aber vor seinem Aquarium rezitieren wir eines unser Lieblingsgedichte: Das Aquarium bleibt heute geschlossen von Michael Augustin Der Hecht fühlt sich schlecht. Der Putt ist kaputt. Der Flunder kaum gesunder. Die Auster noch zerzauster. Der Aal ist grippal. Die Forelle hat ’ne Delle. Die Qualle sie nicht alle. Der Dorsch fühlt sich morsch. Die Languste plagt die Kruste. Die Makrele kratzt die Kehle. Der Hummer hat schwer Kummer. Den Wels laust der Pelz. Der Lachs hat ’n Knacks. Die Dorade hat‘ ne Made. Der Rochen hat gebrochen. Der Hai stöhnt „Auwei!“ Und den Barsch juckt’s an den Flossen. Aquarium heute geschlossen. Es ist bereits nach 17 Uhr als wir weiter fahren auf die Halbinsel Zingst. Der Wind weht hier nicht nur heute. Der Campingplatz Naturdüne ist gleich neben dem Damm, etwas außerhalb vom Ort. Wir kochen, es geht der Wind, es ist kalt, es nieselt, wir verkriechen uns in unserer Dachbox. Hier ist es trocken, warm und gemütlich. Nachdem der Regen aufgehört hat, wollen wir doch noch das Meer sehen. Sonnenuntergang in Freistadt war heute um 20:37 Uhr. Sonnenuntergang hier auf Zingst: 21:11 Uhr. Mal sehen, wie wir morgen den Tag verbringen, es soll kalt und windig bleiben. Der Wind verbläst mir hier, so scheint es, sogar das Internet. Gerhard und Johannes Jabel – Güstrow, 55km +25 km falsche routen Strecke Wir in Zingst sind 68 km von Rostock entfernt, die beiden Männer rund 40 km. In der Ortschaft Schabernack landen Johannes und Gerhard für diese Nacht. Ein Campingplatz wäre zwar noch in ihrer Radkarte vermerkt, es gibt ihn allerdings en echt nicht mehr. Sie quatieren sich beim Kanuclub ein. Johannes: „Heute haben wir uns mehrmals verfahren, schlecht ausgeschilderte Wege und falsch gedacht, das hat uns rund 25 km extra beschert. Aber es gibt so viel zu entdecken: Auch nach dem Tod ist es noch gefährlich. An alle Tiere wird gedacht. Und Schadstellen im Asphalt werden wie zu Hause ausgebessert. Wir sind wieder an vielen kleineren und größeren Bauwerken vorbei gekommen, die nicht fertig gebaut wurden. Foto folgt.“
MI, 17. Mai Zingst
Also, das Maggiolina Dachzelt bewährt sich. Es ist trocken, es zieht nicht herein, es passt in jedes Parkhaus, die Matratze ist angenehm, und es dunkelt ab, lässt aber eine Idee durch, von dem, was außerhalb los ist. Wir schlafen gut und meist erstaunlich lange schlafen. Zingst ist ein historischer Heilbadeort, ein Kurort, auf österreichisch. Die gute Luft. Immer frisch, bei dem Wind, der aber, habe ich mir sagen lassen, doch derzeit stärker weht als meist üblich. Nördlich der Insel ist die Ostsee, südlich ist der sog. Bodden. Diese flachen Lagunen und angrenzendes Land gehört zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Wir radeln in den Ort hinein. Radwege gibt es überall. Der gesamte Ort ist wie ein großes Feriendorf. 17 000 Nächtigungen pro Jahr. Alles ist hübsch, alles ist gepflegt und überall tummeln sind Gäste, der Großteil davon Menschen in fortgeschrittenem Alter. Es ist beinahe Mittag als wir bei einem der Bäcker frühstücken. Dann radeln auf den Radwegen der Dämne herum und machen, nachdem wir dann schon ziemlich durchgefroren sind, eine Pause vom kalten Wind im Dachzelt. Wieder gut verpackt, radeln wir nochmals in den Ort. Bei der heutigen Windstärke brauchen wir eine knappe Stunde. Wir wollen eine Bootsfahrt durch das Naturschutzgebiet Bodden machen. Wir fahren mit der MS River Star, einem Schaufelraddampfer. Ich mag diese reduziere Landschaft. Wir sehen, aus der Ferne, zahlreiche Wasservögel, die hier ihren Lebensraum haben und die Landschaft. Eineinhalb Stunden sind wir unterwegs. Leonie spielt, es sind nicht viele Gäste an Bord der MS River Star, mit einem Mädchen fangen. Am Campingplatz finden wir unseren Berlingo kaum wieder zwischen all den Wagen, die wegen dem morgigen Feiertag angereist sind. Wir staunen über die unterschiedlichen Konstruktionen von Dach -auf-, -an-, und -zubauten und die umfassende Ausstattung, die auf somanchem Stellplatz angekarrt wurde. Es scheint als ob die gesamte Berliner Bobo und Hippster Szene für das Wochenende zum Campen hier aufgebaut hätte. 21 Uhr. Wir kochen und gehen lesen und schlafen. Johannes und Gerhard Güstrow – Rostock, km Die Fahrt nach Rostock ist wegen des starken Windes und der Kälte mühsam. Wir haben jedoch den Tag über lauter angenehme Begegnungen. Die verantwortlich Frau vom Kanuclub hat uns freundlich begrüßt und nicht geschimpf und der Kaffeehausbesuch in Schwaan war ebenfalls ein Glücksfall. Nette Betreiberin, leckerer Eintopf und Mehlspeisen und selbst der Kaffee! Super. Auch schon das Frühstück in Güstrow ebenfalls perfekt. Abends schlenderten wir noch durch das Rostocker Szeneviertel – ebenfalls ein Vergnügen. Morgen treffen wir uns!
Zingst – Graal-Müritz, DO 18. Mai
Was für ein Kontrast!
Als ich morgens aus dem Dachzelt klettere, denke ich es mir wieder. Was für ein Kontrast! Zwischen unserer minimalen Ausstattung für 8 Wochen, und doch haben wir alles dabei was wir brauchen, und denmm was andere Menschen fürs Wochenende alles aufgebaut haben!
Nach einem warmen Frühstück, es ist zwar sonnig aber kühl, reisen wir zeitig von Zingst ab. Ein guter Urlaubsort! Heute wollen wir Johannes und Gerhard treffen! Von Zingst bis Graal-Müritz sind es 55 km.
Aber erst parken wir noch vor Ahrenshoop und radeln den Damm in den Ort hinein. Die Infrastruktur ist hier in all diesen Orten perfekt: ausreichend Parkplätze entlang der Dämme und auffindbare, saubere Toiletten. Sehr angenehm! Feiterag ist heute und wegen dem verlängerten Wochenende sind viele Menschen unterwegs. Es fühlt sich hier jetzt richtig nach Sommer und Urlaub an, auch wenn man am liebsten noch eine Daunenjacke tragen möchte.
Alle Orte hier auf den Halbinseln Fischland- Darß-Zingst scheinen nur für Touristen gemacht. Wir kommen an zahlreichen klassischen Schilf gedeckten Häusern vorbei, so wie sie es überall hier entlang der Ostsee gibt, und auch an diesem ganz besonderen, dass bis zum Boden runter in Schilf gehüllt ist.
Auch am Strand ist es gut. Unglaublich, von wie viele Kilometer Sandstrand wir jetzt schon genossen haben, von Karlshagen über Zingst und jetzt in Ahrenshoop – und das war heute noch nicht der letzte!
Wir finden noch ein sehr nettes Café Restaurant und dann machen wir uns auf zum Campingplatz Rostocker Heide in Graal-Müritz.
Juhu! Nach 15 Tagen haben wir uns wieder! Johannes und Gerhard sind etwas früher als wir angekommen. Alle vier sind wir fit und munter und guter Dinge!
Gerhard und Johannes sind von Berlin bis bis zum Ostseecamp 425 km geradelt. Die letzten 25 km aus Rostock sind sie heute gefahren. Die Nacht in der Stadt haben sie im Hotel Greifennest, von dem sie sehr angetan waren, verbracht. Ein Zimmer nach einer Woche Zelt ist fein!
Der Campingplatz ist riesig, aber es verteilt sich alles unter hohen Buchen. Ein buntes Völkchen hat sich für das lange Wochenende hier zusammen gefunden. Wir sitzen am Strand, gucken den Menschen zu, versuchen die Rassen der vorbei kommenden Hunde zu bestimmen, gehen essen und schauen zu, wie die Sonne im Meer versinkt.
Leonie und Johannes schlafen im Zelt. So gehört die Dachbox mit Meerblick heute mir.
Graal-Müritz, FR 19. Mai
In der Nacht, im Ostseecamp Rostocker Heide, hat es auf 6 Grad abgekühlt. Wir schlafen nach wie vor mit Wollsocken, Haube und unter Steppdecke plus Schlafsack.
Guten Morgen aus dem Zelt!
Gerhard packt seine Sachen. Er wird sich heute auf die Heimreise machen. Mit dem Rad nach Rostock zurück und dann via Hamburg mit dem Zug bis Linz.
Wir drei bleiben, nachdem es hier so nett ist, noch zwei Nächte.
Nach dem Frühstück radeln wir in Richtung Norden einen der Radweg, möglichst Strand nähe.
Einen kurzen Erkundungsrundgang machen wir im Ort.
Entlang des Dammweges sind Infotafeln und Skulptur zur lokalen Flora und Fauna aufgestellt. Wir stoppen immer wieder und lesen.
Wir kommen bis Dierhagen. Gleich am Radweg gibt es einen Essensstandl mit leckerem Salatbüffet und Frikadellen – also für jeden von uns etwas!
Leonie hat es sich zur Nebenbeschäftigung gemacht immer wieder die Menschen mit Hund zu fragen, welche Rasse ihr Tier ist. Es sind hier überall sehr viele Menschen mit Hund unterwegs. Die Liste der Rassen die wir inzwischen ohne Fragen bestimmen können, ist schon dementsprechend lang. Immer wieder haben wir Kontakt zu Hundebesitzer*innen.
Auf dem Rückweg drehen wir eine kleine Runde am Strand und nehmen einen Weg durch das Große Riebnitzer Moor.
Es waren rund 17 km, die wir geradelt sind. Da schaffen wir es jetzt wirklich schon weit!
Wir kochen und gehen noch zur Strandbar auf einen leckeren Drink. Die Beine sind schon müde und beim Sonnenuntergang ist nur noch Johannes wach.
Graal-Müritz, SA 20. Mai
Dafür, dass es Wochenende ist, war es eine erstaunlich ruhige und angenehme Nacht hier im „Jugendbereich“ des Campingplatzes. Es wird wärmer, wir frühstücken am Strand.
Nach der Morgentoilette und der erfolgreichen Umschlichtung von unserer Zwei-Personen-Ordnung auf die Drei-Personen-Ordnung im Berlingo radeln Leonie und ich zum Rhododendron-Park im Ort. Es blühen einige Sträucher, aber der überwiegend Teil der Stauden wartet auch noch auf wärmeres Wetter.
Im Kurpark, der ein schöner, alter Laubwald ist, sammeln wir auf der Rückfahrt Holz für ein abendliches Lagerfeuer am Strand. Leonie sammelt Kleinmaterial zum Anzünden.
Johannes hat inzwischen herausgefunden, dass es im Badehaus nicht nur eine Sauna sondern auch private Baderäume gibt. Nach dem es zwar wärmer ist, aber immer noch ausreichend kühl, mieten wir uns im Warmen und Heißen ein. Lustig, so ein Campingplatz-Bad.
Hoppla! Plötzlich pritscheln wir im Dunklen. Unser Guthaben ist aus. Johannes, er klemmt uns zwischenzeitlich sein Radlicht an die Handtuchstange, rettet uns. Er radelt zur Rezeption, die bei so einem großen Platz wirklich ein Stück weg ist, um unser Guthaben aufladen.
Leonie ist mit den Kindern der Nachbarschaft unterwegs. Sie liest ihrem Gast aus der unendlichen Geschichte vor.
Heute gibt es Fusili mit Zwiebel, frischen Tomaten und Feta. Wir essen, weil es sooo schön ist, wieder am Strand und eine Stunde vor Sonnenuntergang, der inzwischen um 21:17 ist, entfachen wir das Feuer.
Levin, eine Strandbekanntschaft von Leonie, ist ebenfalls mit Begeisterung dabei. Eigentlich muss ein Feuer am Strand an der Rezeption angemeldet und die Lizenz stammt Feuerholz dort dafür gekauft werden, eigentlich darf es nur in einem Blechteller, den es dort zu mieten gibt, entzündet werden. Wir haben das Kleingedruckte der Campingplatz-Ordnung nicht gelesen. Leonie und Levin sind bereits eifrig am Nachlegen, als wir all das erfahren.
Graal-Müritz – Südlichster Punkt Dänemark, SO 21. Mai
Heute reisen wir weiter. Frühstücken, Sachen einsortieren, Dachzelt einpacken, Fahrräder aufladen und das Meer von dieser Seite verabschieden. Wir werden die Ostsee ja derweil noch nicht verlassen.
Den Nachmittag verbringen wir in Rostock. Mittagessen gibt es beim Inder. Alle anderen freuen sich über die sonnigen Tische im Freien. Wir wollen, nach all der Zeit unter freiem Himmel, freiwillig drinnen essen.
Wir spazieren durch Rostock. Johannes ist bereits orientiert, er hat ja mit Gerhard hier eine Nacht verbracht. Es ist heute richtig warm. Wir schauen beim Rostocker Stadlauf zu, essen ein Eis, schauen uns die Marienkirche an und vor allem auch die Schiffe im Alten Hafen: kleine Yachten, Segelboote, kleine Motorboote und diesen ausrangierten Eisbrecher.
Wir fahren zum Überseehafen Rostock von wo wir die Fähre nach Gedser in Dänemark nehmen. Um 18 Uhr geht es los. Die zwei Stunden Fahrzeit verbringen wir mit Schauen und Staunen.
Es ist eine Hybrid Fähre mit einem 30 m hohen Rotationssegel. Beeindruckt.
In Gedser biegen wir gleich rechts ab. Bis zum südlichsten Punkt Dänemark’s, Gedser Odde, sind es nur ein paar Kilometer. Wir stellen uns zu ein paar anderen Reisenden, die hier auch die Nacht verbringen wollen.
Leonie und Johannes sind am Strand während ich noch Couscous mit Karotten, Oliven und Tomaten-Pesto zubereite. Morgen müssen wir unsere Lebensmittelkiste auffüllen.
Ein Fischer fängt eine Meerforelle und die Sonne geht unter.
Gedser Odde – Møn, Mo 22. Mai
Wir haben eine gute Nacht verbracht am Danmarks sydligste punkt, Gedser Odde.
Am Morgen sind nur noch wir und ein großer Wohn-LKW in Gedser Odde, dem südlichsten Punkt Dänemark’s und Skandinaviens. Alle anderen sind irgendwann abgereist. Und während wir uns für den Morgen organisieren und ein Frühstück richten, kommen bereits neue Ausflüger. Auch die Fähre steht bereits wieder in Gedser, bereit um demnächst abzulegen. Zehn Mal täglich fährt sie zwischen Gedser und Rostock hin und her.
Es gibt einen großen Pavillon mit Infotafeln zu Geologie, Flora und Fauna sowie zur wechselvollen Geschichte des Platzes. Dort lesen wir unter anderem, dass die Gemeine Feuerwanze, die bei uns ja oft zu sehen ist, in Dänemark sehr selten vorkommt.
Leonie entdeckt im sandigen Abbruch zum Meer hin die Brutröhren von Vögeln. Es ist eine Kolonie von Uferschwalben. Faszinierend zu betrachten wie sie den Wind für ihre Flugmanöver nutzen.
Nachdem es dann bereits Mittag ist, als wir los fahren, bleiben wir gleich im Ort Gedser euf ein kleines Mittagessen stehen. Aber dann fahren wir nach Norden. Wir haben heute morgen entschieden, dass wir nicht nach Kopenhagen fahren, sondern erst noch auf die Insel Møn. In Stubbekøbing fahren wir mit der schicken, alten Autofähre Ida, Baujahr 1959, über den Grønsund auf die Insel Bogø.
Von der Inseln Bogø geht es weiter auf die Insel Møn. Die beiden sind mit einem Damm verbunden. So viel Wasser! Seit wir Karlshagen erricht haben, erleben wir Wasser in verschiedenster Art und Weise: als Meer, als Bodden, als Gischt, mit kleiner und großer Fähre, mit Ausflugsboot und als Moor mit Gelsen.
Wir nahmen die kleinen Landstraßen. Dänemark ist flach, hübsch aufgeräumt und zwischen den landwirtschaftlich genutzten Flächen lassen sie viel Gebüsch und Stauden stehen. Vermutlich wegen dem Wind. Es schafft einen abwechslungsreich gegliederten Raum.
Wir fahren zum Camp Møns Klint. Von Gedser bis hier her sind es 90 km. Es ist ein großer, aber sehr unkomplizierter Campingplatz: „Stellt euch hin, wo es euch gefällt!“ sagte der Herr in der Rezeption. Und es gibt eine tolle Infrastruktur. Leonie sehen wir erst zum Abendessen wieder. Wir verbringen hier einen gemütlichen, Nachmittag und Abend.
Møn – Malmö, Mi 24. Mai
Die Steckdosen in Dänemark sind freundlich. Guten Morgen!
Heute wollen wir ein paar Stunden in Kopenhagen verbringen und dann nach Malmö fahren. 167 km.
Wir packen zusammen, Leonie rettet noch ein paar Schnecken – Schau! So Schön! – durch Umsiedlung ins lange Gras und wir machen uns auf Richtung Kopenhagen.
Wir parken und radeln in Richtung Innenstadt wo wir Jonathan treffen. Er hat vor einigen Wochen eine Radreise gemacht (Kopenhagen – Sizilien), hat unterwegs bei uns genächtigt und seine powerbank liegen gelassen. Die bekommt er jetzt retour.
In Jonnys Café, wo wir mit Jonathan sitzen, ist es so teuer, dass nur Leonie ein richtiges Essen bekommt. Johannes und ich nehmen nur ein Croissant zum Getränke. Wir sind bald wieder hungrig, die große Portion Pommes kostet 10 €. Mit Mayo 12.
Erst erkunden wir die Stadt zu Fuß, schlendern die Einkaufsmeile Strøget. In der Kirche zum Hl. Geist ist doch tatsächlich gerade ein Orgelkonzert. Wir sitzen und freuen uns. In Freistadt hat ja bereits Orgel.12 wieder begonnen, ohne uns.
Und dann radeln wir, auf den überall vorhandenen Radspuren, mit Tausenden anderen Menschen durch die Stadt, am Parlament vorbei, die Kanäle entlang, bis Christiania.
Was 1971 mit Hausbesetzung und einem gesellschaftspolitischem Projekt, der Freistadt Christiania begann, ist jetzt zwischen touristischem Kommerz und Subkultur angesiedelt. Wir schlendern etwas herum, darum bemüht nicht zu klotzen wie vor einem Gehege mit exotischen Tieren und sind doch neugierig. Plötzlich rennen zwei Polizisten an uns vorbei, und ums Eck sehen wir, dass wir mitten durch eine Drogenrazzia geschlendert sind. Ein Polizist packt gerade Pappteller mit Gras-Keksen in einen Müllsack, zwei weitere halten zwei junge Männer in Handschellen fest. Einige andere Polizisten sind auch irgendwie beschäftigt. Wir schauen, dass wir weiter kommen. In der Nähe des Eingangs gibt es ein nett gestaltetes Kaffee. Wir trinken Chai und schauen.
Gleich im Nebenraum ist das MÜK von Christiania, ein stylischer Laden mit Kunsthandwerk auf weißen Regalen.
OK. Wir radeln quer durch die Stadt wieder retour. Wir wollen auch noch den Tivoli besuchen. 1843 eröffnet, ist es einer der ältesten bestehenden Vergnügungs- und Erholungsparks der Welt.
Wieder schauen und Staunen wir. Und dabei belassen wir es für heute auch. Wir fahren mit keinem Fahrgeschäft sondern schauen den anderen zu.
Ich bin von der Gestaltung fasziniert. Ein Gesamtkunstwerk aus Maschinen, Dekorationen, Bepflanzung und Zuckerwatte!
19 Uhr. Unsere bezahlte Parkzeit endet. Und wir wollen heute ja nach Schweden.
Hier geht es unter den Øresund hinein.
Und hier wieder heraus. Dann bezahlt man 67 €. Maut und ist in Schweden.
Wir nehmen für diese Nacht wieder einen Parkplatz, gleich außerhalb von Malmö. Einige Menschen mit ihren Hunden, einige Fischer und einige Wohnmobile nützen dieses Gebiet ebenfalls. Leonie ist nach zwei Minuten schon im Ufergestein verschwunden. Ich koche uns ein Abendessen und nach halb 10 geht die Sonne unter und wir schlafen.
Malmö – Kivik, Do 25. Mai
Heute hatten wir eine innerfamiliäre Krise. Leonie in einer einer Wiese neben dem Hafenparkplatz ausgetrocknet Fischköpfe. Hornhechte. vermutlich von Fischern, wie wir sie dort ja sahen, dort weg geworfen. Sie war fasziniert, der pinzettenartige Schnabel, die kleinen Zähnchen, die Grünfärbung des Knochen. Sie wollte sie unbedingt mitnehmen. Um zu Hause ein Feuchtpräparat daraus zu machen.
Oje. Ich sah den aufkommenden Konflikt. Ich überlegte, wie wir ihn umschiffen konnten. Johannes fragte, ob wir ganz bei Sinnen sind, ob wir alle den alle Tassen im Schrank haben. Was gibt es da noch für hübsche Redewendung, die Johannes so ja nicht verwendet hat, aber seine Worte will ich hier lieber nicht wiedergeben.
Und, jetzt kann geraten werden! Fährt ein Hornhecht mit uns, gut verpackt und weit hinten versteckt, im Auto mit, oder nicht?
In Dalby besuchen wir die Heiligenkreuz Kirche aus dem Jahre 1060.
Wohltuend schlicht von außen und eine der ältesten gemauerten Kirchen hier. Allerdings sind umfassende Renovierungsarbeiten im Inneren in Gange, sodass wir nicht rein können.
Den nächsten Stopp machen wir in einem
Supermarkt von Sjöbo. Supermärkte anderswo sind immer interessant. Da erfährt man viel über Sitten und Vorlieben anderer Länder.
Alkoholfreies Bier haben wir nicht eingekauft, aber Fruchtsuppe inklusive der ortsüblichen Suppeneinlage.
Es zieht uns doch noch mal ans Meer. Wir fahren bis Kivik, rund 100 km von Malmö. Eigentlich hatten wir gedacht, wir nehmen den Campingplatz,finden aber direkt am Meer mehrere Wohnmobile und stellen uns dazu. Wir erkunden den Strand, testen das Wasser, essen, und weil das Meer so ruhig da liegt, packen wir tatsächlich das erste Mal unser Paddelboard aus. Aber, das Wasser ist kälter als wir es gerne hätten, die Strömung ist kräftiger als mir lieb ist. Recht weit kommen wir nicht, aber doch gut, es probiert zu haben.
Abends radeln wir in den Ort, im Sommer kommen hier tausende Touristen her, und weil Kivik klein ist, auf der anderen Seite wieder hinaus.
Wir kommen zum bronzezeitlichen Gräberfeld Ängakåsen. Es liegt in einer Weide und ist über eine für Tiere unpassierbare Passage frei zugänglich.
Wir schlendern durch die Steine, 130 Gräber, etwa 3000 Jahre alt. Wir sehen die Gruppe großer Stierkälber am anderen Ende der Weide. Doch als wir bereits auf dem Weg raus sind, kommen sie rasch näher. Wie jugendliche Rabauken, die ihre Macht demonstrieren wollen, gehen sie erst Johannes an, und dann, als wir Leonie schon aus dem Gehege befördert hatten, treiben sie mich ins sichere, weil dornige, Hagebuttengestrüpp. Mit zwei herumliegenden Stöcken können wir uns die Kerle dann doch vom Leib halten und sind schnell auf der anderen Seite des Zaunes.
Wir sind froh als wir alle drei wohlbehalten in unser Schlafauto klettern können!
Kivik – Insel Ivö, Fr 26. Mai
Seit langem bin ich kurz nach Sonnenaufgang wach. Sonnenaufgang war hier heute kurz nach halb fünf.
Vor dem Frühstück lesen Leonie und ich heute Die unendliche Geschichte fertig. Phu! Ein starkes Buch, das man so verschieden lesen kann, dass es für Leonie und mich fesselnd ist!
Nach dem Frühstück und Zeit am Strand radeln wir durch den Ort zum Königsgrab von Kivik. Wie das gestrige Gräberfeld ist es aus der nordischen Bronzezeit, rund 1000 v.u.Z. Auch wenn nur noch ein kleiner Teil im Original erhalten ist und alles andere rekonstruiert wurde, ist es eindrücklich, wenn man sich vorstellt, welchen Aufwand die Menschen um die Begräbnisstätte und die damit verbundenen Rituale gemacht haben.
Heute fahren 64 km nach Norden, sehen unser erstes Elch-Verkehrszeichen und kommen mit der Fähre auf Ivö. Im See Ivösjon liegt die Insel Ivö und da fahren wir hin. Auf den Campingplatz.
Wir sind erstmals nach 13 Nächten nicht mehr an der Ostseeküste.
Ich bin etwas verkühlt, liege herum, Leonie schnitzt und Johannes macht die Hausarbeiten. Wir nutzen nach zwei Parkplatz-Nächten die Infrastruktur: Dusche, Strom und Abwasch.
Rund 90 000 Binnengewässer gibt es in Schweden. Der Ivösjon ist einer davon.
Insel Ivö, Sa 27. Mai
Ruhig war die Nacht am Campingplatz. Wir sind in einer Sackgasse stationiert in der es, außer uns, nur Dauercamper gibt. Rechts neben uns ist das Domizil eines Zahnarzt mit Hund, der nach der Scheidung hier auf die Insel zog und ganzjährig hier lebt. Schräg gegenüber ist ein Ensemble mit vier kleinen Kläffern, die gerne melden, wenn jemand von uns an ihnen vorbei zum Waschhaus geht. Links neben uns ist eine Art langfristiger Camping-Baustelle, oder eine Olchi-Wohnoase. Wir sind uns nicht sicher. Eben wurden drei hohe Getränkekühlschränke geliefert, die Terrasse ist im Bau. Würde wohl einen halben Tag Arbeit bedeuten, die paar Bretter hinzuschrauben, aber der Clan ist mit Essen beschäftigt und fühlt sich auch mit halber Terrasse wohl. Und in einer Wohn-Anlage, noch etwas weiter Richtung See, gibt es einen Wurf Golden Redriver. Alle Hundebesitzer wirken so, als ob sie in Ruhe gelassen werden wollen und sich nicht auf Besuch von Leonie freuen.
Am Vormittag gehen wir zum See. Johannes und Leonie machen Qi Gong Übungen am Steg. Am Beitragsbild machen Leonie und Johannes gerade Leonies Lieblingsübung – Drachenkopf und Phönixschwanz. Ganz mutig testen die beiden auch das Wasser. Johannes schätzt auf 17 Grad. Das erste Mal liegen wir in der Sonne.
Wir radelten nach Süden zur Kirche und dann nach Norden zum Ivö Klack, einem Naturschutzgebiet. 7,5 km lang ist die Insel. Wir waren also fast überall.
Plötzlich überkommt uns der Hunger, heute haben wir keine Jause mit dabei. So gehen wir im Naturschutzgebiet am Ibö Klack, eine Erhebung mit 133 m, keine Runde mehr spazieren, sondern radeln flott retour. Es ist bereits nach 14 Uhr.
Wir kochen, essen, rasten und schmieden Pläne für morgen. Die Hunde bellen, links werden Waschbetonplatten getragen zwei Parzellen weiter wird Rasen gemäht und Leonie will ein Eis. Die beiden pritscheln nochmal im Ivösjon, was nur mit nachher warm duschen geht.
Zum Abendessen gibt es heute Schwedische Grütze, wie bei Petterson und Findus. Es schmeckt uns. Am Campingplatz findet ein Konzert statt. Ich muss noch etwas ruhen, Leonie und Johannes gehen hin. Es ist eine Art Campingplatzzeltfest, die schwedische volkstümliche Musik höre ich bis ins Dachzelt, und die beiden sind bald wieder retour.
Noch Zähneputzen und ab in die Box!
Insel Ivö – Taglamyren Moor, So 28. Mai
Wir frühstückten in der Sonne und packen zusammen. Heute wollen wir nach Älmhult und noch ein Stück weiter nach Norden. Insgesamt fuhren wir 100 km.
Die Route, die ich aus dem Schweden-Straßenatlas suche, führt uns kilometerlang auf einer Schotterpiste. Aha. Wir kommen durch sehr nettes Hinterland, immer wieder an schicken Häusern vorbei. Die meisten Anwesen sehen genau so aus, wie man sich Häuser in Schweden vorstellt. Klassische Proportionen, Holzverschalung, in gedeckten Farben gestrichen. Es gibt hier offenbar nicht die Idee, Häuser ständig umzubauen, zu vergrößern oder gar zu modernisieren. Und um so gut wie jedes Haus ist es grün, was insgesamt total ansprechend aussieht.
Beinahe am Ziel, bleiben wir wegen unerklärliche Komplikationen mit Leonies Sicherheitsgurt bei einem Waldweg kurz stehen und dann sind wir auch schon da, in der IKEA Welt in Älmhult. Hier ist der heute weltweit agierende Konzern IKEA mit der Eröffnung eines ersten Warenhauses im Jahr 1958 gegründet worden.
Derzeit gibt es zusätzlich zu einem großen IKEA Warenhaus, ein IKEA Hotel und ein IKEA Museum, wie könnte es anders sein, mit Restaurant und Shop. Alles da, aber ein Schuh von Leonie fehlt. Der ist wohl ausgestiegen als wir den Sicherheitsgurt gebändigt haben. Aber erstmal sind wir hungrig, und andere Schuhe haben wir auch.
Leonie und Johannes essen
Köttbullar, ja, genau die Fleischklöschen, die auch Petterson und Findus so lieben. Für mich gibt es Gönskabullar und für alle
Kanelbulle, Zimtdchnecken. In Ö gehe ich nie freiwillig bei IKEA Mittagessen, nur damit hier niemand glaubt, dass ich IKEA-Fan bin.
Im Museum wird der Mythos vom tüchtigen, hart arbeitenden, aber rund um glücklichen und schönen Schweden befeuert. Wir schauen uns vor allem den Bereich zum historischen Handwerk an und entdecken dann die ‚Verkstan‘. Hier können Kinder heute einen Polsterbezug bemalen. Hier verbringen wir deutlich mehr Zeit als im Museum.
Was genau dieser Kreisverkehr an der Einfahrt zur IKEA Welt in Älmhult, mit an die 100 Verkehrsschilder in verschiedensten Sprachen, mit IKEA zu tun hat, konnte ich nicht herausfinden. Vielleicht sind sie aus all den Ländern, in denen der Konzern Warenhäuser hat.
Bevor es bei uns weiter geht, fahren wir nochmals zur Stelle wo vermutlich der Schuh ausgestiegen ist – und da liegt er!
Unser nächster Besuch gilt Carl von Linné. Carl von Linné? Die kürzest mögliche Erklärung: Linné ist der Mensch, dem wir es verdanken, dass wir (vor allem alle Biolog*innen) weltweit ein einheitliches System zur Bezeichnung von Tieren und Pflanzen verwenden.
Wir stoppen bei einer Kirche, entdecken einen schönen Friedhof, das Grab seines Vaters und seines Bruders, die beide Pastoren waren und eine Statue von ihm.
Ich dachte, ich hatte auch etwas von tollem Café und landschaftlichem Gebiet gelesen, dass entsprechend den Gegebenheiten im 18. Jahrhundert gestaltet war. Vielleicht ist es doch das nächste ausgewiesene Naturschutzgebiet: Taxås Naturreservat (117 ha). Gut. Hier gehen wir eine der markierten Runde. Die Heidelbeer- und Preiselbeerstauden, manche sind hoch bis übers Knie, blühen. Ob die reif werden bevor wir uns auf den Heimweg machen?Wir umrunden den Taxasklint und blicken auf den Möcklen See. 3 Kilometer passen gut für uns.
Die Runde ist beeindruckend: zahlreiche Wacholder, alt und zerrupft, ein toller Aussichtspkatz, wir hatten Jause eingepackt, große moosbewachsene Steine, ein alter Steinbruch und einfach in Ruhe gelassene Natur mit viel Todholz in verschiedenen Phasen der Rückverwandlung in Humus.
Bei der Weiterfahrt entdecken wir dann den Platz, den ich eigentlich gerne besucht hätte, das Kulturreservat Linnés Råshult. Am Geburtsort von Linné wurde ein 42 ha großes Gebiet geschaffen, das die für das frühe 18. Jahrhundert typische Landschaft bewahren und zu veranschaulichen soll. Hier gibt es eine Skulptur des erwachsen Carl.
Wir schauen uns kurz um und fahren weiter bis zum Parkplatz des Taglamyren Moor. Hier wollen wir die Nacht verbringen.
Johannes kocht für uns Suppe und macht Salat. Wir spazieren bis zum Aussichtsturm am Rande des Moores. Tiere sehen wir nicht. Trotzdem ist es beeindruckend, so viel Moor!
Die Bäuerin vom Hof Tagelkärr, der an das Moor angrenzt, macht einen abendlichen Spaziergang und kommt bei uns vorbei. So ein minimalistisches Wohnmobil hat sie hier offensichtlich noch nicht gesehen. Sie findet unsere ‚kitchen‘ und die beiden ’slepping room‘ auf zwei Stockwerken sichtlich lustig und wünscht uns eine gute Nacht.
Zum Sonnenuntergang, heute über dem Moor, lauschen wir einem Kuckuck, der unermüdlich singt.
Taglamyren Moor – Stora Hammarsjöns, Mo 29. Mai, 133 km
Ich habe extra geschaut: Es war ein Uhr früh als der Kuckuck wieder zu rufen begann. Den ganzen Morgen über hörten wir ihn wieder und wieder, mal näher, mal ferner und er flog dabei einmal über uns hinweg.
Heute wollen wir in die Nähe von Vimmerby kommen. In Vaxjö füllen wir unsere Lebensmittelvorräte auf und sind bald wieder hungrig. Nördlich des Ortes ist die Schlossruine Kronenberg. Sie ist heute zwar geschlossen, gibt aber eine schicke Kulisse für unsere Jausenpause. Wir sehen wieder Kanadagänse und recherchieren sie und die Dohlen, die auch gerne jausnen würden. Wir sitzen lange. Endlich ist es richtig warm!
Auf der Weiterfahrt sind wir bald wieder hungrig (wir haben uns auch gewundert, was heute mit uns los ist) und so machen wir wieder eine Jause Pause, im Örtchen Viserum. Es gibt – Überraschung – einen See und eine Parkanlage drum herum. Wieder sind Kanadagänse und Dohlen unsere Pausenbegleiter.
Wir fahren noch ein Stück, wieder über Schotterpiste, bis wir beim Naturcampingplatz am See Stora Hammarsjöns.
Naturcampingplatz bedeutet, Leonie bringt es auf den Punkt: „Keine Infrastruktur.“ Keine Dusche, kein Shop mit Eis, kein Spielplatz. Man bezahlt einen kleinen Beitrag via Überweisung oder per Kuvert in ein Postkastel. Toilette und Trinkwasser sind vorhanden. Und ein Tisch. Und eine Feuerstelle. Und ein See. Und ein Naturschutzgebiet. Also doch einiges an Infrastruktur.
Wir erkunden mit dem Rad die Gegend. Der See wäre verlockend um mit dem Paddelboard los zu fahren. Aber ich hustet noch so und das Wasser ist kalt.
Wir organisieren uns, kochen und essen. Es ist dann zwar bereits nach 18 Uhr, aber nach dem es noch dreieinhalb Stunden hell sein wird, gehen wir eine der zwei markierten Wege durch das Naturschutzgebiet Björnnäsets. Woh!
In diesem alten Wald liegen unzählige freiliedende Steine, bzw. große Felsformationen, die mit Moosen und Flechten verschiedenster Art überwachsen sind. Umgestürzte Bäume bleiben einfach liegen und sind Lebensgrundlage für eine Vielzahl an Insekten und diese wiederum für Vögel. Kurz hörten wir einen Schwarzspecht, die größte hier heimische Spechtart, hämmern. Ich dachte, einer der Camping-Nachbarn hätte irgendein Gerät gestartet.
In einem Teil des Gebietes war offensichtlich ein Brand ausgebrochen. Der Bodenbewuchs hat sich zwar bereits wieder erholt, aber die verkohlten Baumstämme zeugen davon.
Leonie und Johannes sammeln Feuerholz. Leonie entzündet selbstständig ihr erstes Feuer und bringt noch mehr Brennmaterial.
Solange der Schwarzspecht nicht nachtaktiv ist, sollte es eine ruhige Nacht werden.
Stora Hammersjöns – Vimmerby, Di 30. Mai
Vor Jahren haben uns Freunde von ihrem Schwedenurlaub und der Astrid Lindgren Welt berichtet. Damals sagten wir, dass wir die auch mit Leonie besuchen wollen, wenn sie groß genug ist. Jetzt ist es soweit, die nächsten Tage wollen wir in Vimmerby und der Umgebung verbringen.
Aber erst genießen wir den Platz beim Naturschutzgebiet Björnnäset am Sora Hammersjöm, Gemeinde Hultsfred.
Wir haben fließendes Wasser für ein ausführliche morgendliche Wäsche.
Aber auch der See lockt. Ich bin immer noch verschnupft und bleibe am Steg. Aber Leonie und Johannes sind mutig!
Leonie will nochmals die Runde, 2 km durch das Naturschutzgebiet gehen. Der Wald wirkt bei Sonnenlicht ganz anders als im gestrigen Abendlicht.
Heute haben wir auch Jause mit. Die anderen Camper, die heute auch den Platz nutzen kommen vorbei. Der Mann, er stellt sich als alter Schwede vor, erzählt uns, dass an unserem Jausenplatz früher ein Hof gestanden hat. Tatsächlich sehen wir dann auch die verbliebenen Steine der Mauer. Wir fragen ihn nach dem Waldbrand und erfahren, dass dieser Brand gezielt und absichtlich gemacht worden ist. Manche Pflanzen brauchen das, damit sie (wieder) wachsen.
Drei verschiedene Beerenstauden wachsen hier: Heidelbeeren, Preiselbeeren und Rauschbeeren. Und Bartflechte wächst hier auch:
Johannes entdeckt hoch oben in den Bäumen ein Eichhörnchen und direkt am Pfad eine Blindschleiche. Sie ist sehr entspannt und lässt sich lange anschauen bevor sie sich ins Heidekraut verkriecht.
Retour von der Wanderung wollen Leonie und Johannes noch einmal ins Wasser. Es ist gegen 16 Uhr als wir unsere Sachen gepackt haben, den Platz verlassen und in Richtung Vimmerby fahren. Es sind nur 33 km bis nach Vimmerby, erst die Schotterpiste, wo wir bei diesem Schild noch lachten: Achtung zweihöckrige Kamele!
Aber dann kamen wir auf die stark befahrene Straße Nr 23 – und da ruf ich: „Ich habe einen Elch gesehen!“ Johannes wendet, wir sind uns nicht sicher, ist es ein Scherz, eine Atrappe, so wie sie in Spanien die Stier-Silhouetten in der Landschaft aufgestellt haben? Nein. Es ist ein Elch! Weit weg, aber ein Elch. Und unsere Augen sahen ihn besser als das Handy! Erst hatte er den Kopf oben und jetzt, wir müssen ja wieder wenden, frisst er.
Am Campingplatz Nossenbaden in Vimmerby buchen wir drei Nächte. Leonie ist begeistert: Der Platz hat Infrastruktur! Shop, Seezugang, Spielplatz, Minigolfplatz und Dusche.
Wir radeln in den Ort. Hier sind wir wegen der Astrid Lindgren Welt. Wir besorgen für morgen Tickets, schlecken ein Eis am Hauptplatz und schauen das Astrid Lindgren Denkmal an.
Was für ein guter Tag! Und auch der morgige wird besonders besonders!
Astrid Lindgrens Värld, Vimmerby, Mi 31. Mai
Vimmerby Camping ist mit Abstand der lauteste Schlafplatz seit Beginn unserer Reise. Nicht nur, dass die nahen Straßen deutlich zu hören sind, sondern auch irgendetwas anderes. Ein Förderband für Eisenschrott? Eine Umwälzanlage für Schotter? Eine Riesenrührmaschine für Fertigbeton? Jedenfalls war es kontinuierlich geräuschvoll. Und, das ist hier der erste Baum unter dem wir stehen, von dem etwas auf uns herab fällt. Dazwischen haben dennoch geschlafen. Und, heute wollen wir in Astrid Lindgrens Värld!
Ohne dass wir uns extra darum bemüht haben, sind wir die ersten, die heute da sind!
Der Themenpark wurde 1981 gegründet. Die einzelnen Szenarien zu den Geschichten, die sehr überlegt und liebevoll detailreich gestaltet sind, wurden nach und nach aufgebaut und sukzessive erneuert. Während der Hochsaison arbeiten laut Wikipedia etwa 460 Mitarbeiter in der Astrid Lindgren Welt, rund 125 im Theaterbetrieb. Pro Saison besuchen rund 450 000 Besucher*innen den Park. Da sind wir erleichtert, dass Vorsaison ist und es heute ruhig und entspannt zugeht.
In der Villa Kunterbunt kommt Fräulein Prysselius und will Pippi, Mithilfe der beiden Polizisten Klinge und Klang, ins Kinderheim bringen.
Wenn gerade kein Stück gespielt wird, sind die Häuser geöffnet. Da rasten wir, kurz, im Garten von Pippi!
Kurz, weil Leonie will alles sehen! Auch wir sind erinnert, begeistert und berührt.
In der Mattisburg erleben wir mit Ronja und Birke wie es den beiden gelingt, die alte Feindschaft zwischen den Räuberbanden zu beenden.
Ronja geht in den Mattiswald Schi fahren und Leonie probiert Ronjas Bett.
Nach den Theaterstücken sind die Schauspieler*innen vor Ort, sie beziehen uns in Spiele ein, die jeweils typisch für die Geschichte sind, scherzen mit den Kindern und sind einfach da.
Leonie sitzt bei Alva, dem Hausmädchen auf Birkenlund. Davor haben wir ihnen zugeschaut, wie Lisabeth und Madita den Ausflug auf das Hüttendach gemacht haben.
Dazwischen gibt es zahlreiche andere Gebäude und Szenarien zum selbständigen erkunden. Zum Beispiel das Bonbongeschäft in dem Pippi 18 Kilo Süßigkeiten eingekauft hat. Und überhaupt ist das Gelände großzügig angelegt. Es taugt uns. Johannes, als Fan der Brüder Löwenherz besucht zwei Vorstellungen dieser Geschichte.
Leonie und ich bleiben derweil noch bei Ronja und dann treffen wir uns wieder als Michel von Löneberga seinem Papa Anton den Blutklösseteig rauf schüttet.
Leonie beim Großreinemachen am Mittelhof in Bullerbü. Leonie nimmt es genau: Nach dem die Stube gekehrt ist, sucht sie die Hundehütte von Swipp, Olles Hund am Südhof. Sie fehlt.
Um 18 Uhr gehören wir zu den Letzten, die durch die banale Drehtüren die Welt der Astrid Lindgren Geschichten verlassen. Aber, da bin ich mir sicher, sowie uns diese Charaktäre die letzten Jahre intensiv begleitet haben, werden sie, angereichert mit den Eindrücken des heutigen Tages, weiterhin unsere Weggefährten bleiben.
Vimmerby, Do 1. Juni
Wir haben trotz alle den Geräuschen hier soo gut geschlafen. Und heute ist ein Campingplatz Tag, größtenteils zumindest. Den Vormittag verbringen wir mit schlafen, lesen, frühstücken und etwas Hausarbeit. Johannes fährt eine Runde mit dem Rad und bringt Einkäufe nach Hause. Mehl wollte er, für Fladenbrot. Das Mehl entpuppte sich als Grieß. Und auf dem anderen Produkt steht Gravlaxsås. Wird wohl was mit Lachs zu tun haben. Hm. Genau wissen wir es noch nicht, eher was Senfartiges, jedenfalls kein Lachs.
Nach einem netten Mittagessen auf dem großen Stein vor dem Berlingo radeln wir gemeinsam in die Stadt. Wir brauchen Material um aus dem Kopf vom Hornhecht ein Feuchtpräparat zu machen. Er stinkt. Ethanol bekommt man in der Apotheke hier nicht. Nur Desinfektionsmittel, primär Ethanol, aber mit geringem Weichmacher-Anteil. Leonie hat Sorge, dass der Weichmacher den Fisch zersetzt, ich, dass ihm das Gaffer nicht stand hält. Wir müssten die Flasche aufschneiden um den Fisch hinein zu bekommen.
Auf der Stecke in den Ort beobachteten wir in einem Garten eine dramatische Szene. Ein Rasenmäherroboter war mit der Kunststoffhülle an einer niedrigen Ziegeleinfriedung einer Pflanze hängen geblieben und schaffte es nicht mehr los zu kommen. Offensichtlich hing er bereits länger fest. Sein Hinterrad war bereits in den Rasen gegraben und der Akku ächzte aus den letzten Zügen. Am liebsten wären wir über den Zaun geklettert um ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien. Auf dem Rückweg sahen wir, dass er bereits abgeholt worden war und waren erleichtert.
Am Hauptplatz von Vimmerby gibt es einen Süßigkeiten-Laden mit großem Sortiment. Unterwegs sein, ist die beste Gelegenheit für alle Arten von Ausnahmen: Leonie und ich bekommen je ein Sackerl und suchen uns was aus. Johannes nimmt lieber ein Eis, da weiß er, dass er was leckeres bekommt!
Mehl haben wir auch nochmals eingekauft. Zum Abendessen gibt es frische, leckere Fladenbrote, und nahrhaftes Grieskoch machen wir vielleicht schon morgen zum Frühstück!
Für heute Abend hat uns Johannes die Sauna auf einem Floß am See reserviert. Der Holzofen war bereits geheizt als wir kamen. Es war gerade so heiß, dass Leonie und ich es auch gut vertragen. Und zur Kühlung zwischendurch geht’s direkt in den Nossen!
Noch heiß duschen und dann die Leiter hinauf ins Bett. Es ist noch gut hell, als wir um zehn die Reißverschlüsse zu ziehen.
Vimmerby – Ångbåtsbrygga bei Idebo, Fr 2. Juni
In der Nacht kam mir jede kleinste Bewegung hinaus aus dem aufgewärmten Bereich so kalt vor, dass ich Leonie noch besser verpackte, in Socken, Haube und zusätzlichem Schlafsack und wissen wollte, wie kalt es tatsächlich ist: Es hat auf 4 Grad abgekühlt.
Jetzt weiß ich, was das Dauerlärm ausspeiende Ungeheuer ist! Nein, es ist keine weit entfernte Fabrik, in der Nachtschicht gemacht wird. Es ist die Luftwärmepumpe, gleich ums Eck vom ‚Servicehus“ (Sanitärhaus), und aus praktischen Gründen – Leonie läuft selbst ins Klo und Bad – haben wir den Stellpatz hier in der Nähe genommen. Aber gut, geschlafen haben wir trotzdem,. Und heute fahren wir ja weiter. Erst die morgendlichen Agenden: Vorlesen, Servishus, Bett zusammen kurbeln, Frühstück, Räder aufladen und noch eine Runde am Platz. Leonie schaut nochmal ob ihr Spielplatzfreund Kilian wo da ist. Es ist halb zwölf als wir von Vimmerby losfahren.
Wir fahren nur ein paar Kilometer und bleiben bei der Pelarne Kyrka stehen.
Aus dem 13. Jahrhundert stammend, ist sie die ältesten Holzkirchen in Schweden, in der nach wie vor Gottesdienste gefeiert werden. 1905 wurden hier die Eltern von Astrid Lindgren, Samuel August Ericsson aus Sevedstorp und Hanna Jonsson aus Hult getraut. Wir sind beeindruckt von den schwarzen Schindelschuppen, vermutlich Teer.
Wie für Holzkirchen üblich, besitzt sie keinen angebauten Glockenturm, sondern einen separat stehenden hölzernen Glockenstapel.
Wir sehen am Parkplatz einen kleinen Wegweiser: Fornminne. Es geht über eine Holztreppe hundert Meter den Hügel hinauf und wir sind auf einem größeren ausgemährten und nett gestalteten Picknickplatz mit Fahnenstange. Ich denke an Bulgarien, Radreise 2019, und wir uns oft nach einem nettes Pausenplätzchen gesehnt haben. Ich reserviere: Fornminne = Antike Erinnerung. Aha. Es gab zwar mal eine Infotafel, die ist aber leider inzwischen unleserlich. Was war hier mal war, bleibt ein Rätsel.
Unser nächstes Ziel ist Katthult, der Hof an dem 1971 und 1972 die Michel von Löneberga Serie gedreht wurde. Es ist alles da: die Fahnenstange, an der Ida hochgezogen wurde, das Plumpsklo durch dessen Fenster Michels Papa versuchte heraus zu kommen, das Wohnhaus, Alfreds Veranda, auf der er sich seine Socken gestopft hat und der Tischlerschuppen.
Auch die Wurst, mit der die gemeine Maduskan anstatt eines Werwolfes gefangen wurde, finden wir.
Bis nach Katthult reichte unser heutige Plan. Wir entfalteten unsere Südschweden – Karte und entschieden uns für eine Halbinsel im Sommen See. Da würden wir dann schon was für die Nacht finden. Durchs Hinterland auf Schotterpisten ging die Fahrt.
Wir versuchten noch ein Geschäft zu finden, die Orte waren jedoch kleiner als wir dachten. Macht nichts, was wir nicht haben, brauchen wir nicht. Die Gegend ist bewaldet, die meisten Häuser und Höfe haben Alleinlage und fast alle könnten für Schöner Wohnen fotografiert werden. Entlang vom See Sommen fuhren wir erfolglos in ein paar Stichstrassen hinein: privat, Gestrüpp, schattig im Wald ohne See. Aber dann – voilà – unser Platz!
Unglaublich! Die Ångbåtsbryggan = Dampfschiffanlegestelle bei Idebo am Sommen See. Der See, ein breiter Steg, ein gerader Parkplatz, ein Tisch mit Bänken, ein Gartensessel, eine Feuerstelle. Johannes macht uns wieder frische Fladenbrote, Leonie testet Schere und Säge vom Leaderman und will mit Johannes Kamel spielen. Einige Wasservögel sind unterwegs, den Kuckuck hören wir. So schön!
Ångbåtsbryggan bei Idebo – Pers Sten/Omberg, Sa 3. Juni
Guten Morgen! Der See ist noch da. 130 km² ist der Sommen groß, also rund drei Mal soo groß wie der Attersee. Gestern Abend sind zwei Autos vorbei gefahren, heute früh fischen drei Männer eine Weile in der Bucht. Sonst ist niemand weit und breit. Auch diese Nacht kühlte es wieder stark ab, aber heute waren wir mit Bekleidung gewappnet. Nachdem wir Abend lange wach sind, schlafen wir in der Früh lange. Und dann will Leonie zum Aufwachen gerne vorgelesen bekommen. Wir sind bereits wieder bei Kapital IV der Unendlichen Geschichte.
Gut ist der Vormittag an diesem ruhigen Platz. Leonie sammelt Brennessel und Himbeerblätter für unseren Vormittagstee. Wir versuchen mit unserem schlechten Gucker die Wasservögel zu beobachten. Johannes schwimmt eine kurze Runde.
Und am Steg bekommen wir Besuch von einer ausgewachsenen Ringelnatter. Sie liegt lange still. Wir beobachten sie.
Bei Leonie und Johannes merkt man jetzt auch schon, dass sie viel in der Natur sind.
Es ist wieder um die Mittagszeit als wir aufgebrechen. In Tranås wollen wir Lebensmittel einkaufen. Davor lockt uns noch der kleine Hafen von Nora Vi zum Stehen bleiben. Überhaupt gäbe es alle paar Kilometer etwas Interessantes oder Nettes zum Stehenbleiben.
In Tranås ist das Ortszentrum abgesperrt. Alle Wege zum COOP scheinen abgesperrt zu sein. Wir kommen zu einer Art Faschingsumzug zurecht. Ich frage ein Zuschauerin, was das für eine Parade ist. Die Schüler*innen die kommende Woche ihre Prüfungen für die Hochschulreife absolvieren, machen diese Art der Parade. Lustig, kein Maturaball oder so, sondern ein Faschingsumzug.
Wir finden dann doch den Supermarkt. Alle paar Tage einkaufen gehen, ist immer aufregend. Es will gut überlegt sein. Etwas zum gleich essen. Etwas zum bald essen. Etwas haltbares. Was gesundes Frisches. Etwas fürs Frühstück. Etwas fremdes schwedisches. Und dann sucht sich jeder noch irgendwas Nettes aus.
Kurz nach Tranås taucht links der Klienten Badplats auf. Stege, Sitzbänke und Tische, Umkleidekabine, Toilette und ausgemähter Uferbereich. Perfekt für unsere 16 Uhr Jausenpause mit See.
Irgendwann fahren wir weiter. Wir wollen für die Nacht zum Ökopark Omberg. Wir wollen den großen Vättern See sehen. Am Rande des Omberg-Gebietes bleiben wir bei der Ruine des Kloster Alvastra stehen. Hübsches Plätzchen. Aber zur Übernachtung taugt der Parkplatz nicht.
Wir versuchen einen weiteren Vorschlag von park4night. Auch nicht: Zu viel Parkplatz-Beton, kein See in Sicht und zu viele Leute. Aber dann: Pers Sten. Drei Wohnmobile, ein Kleinbus und wir. Gestern waren es rund 60 km, die wir gefahren sind, heute 105. Von diesem Platz aus hat man einen Blick weit über den Vättern. Wie am Meer. Der Vättern ist Schwedens zweitgrößter See. Attersee x 40!
Wir kochen und essen, freuen uns über den Ausblick und wehren uns gegen die Gelsen, die heute zum ersten Mal eine Plage sind. Zum Glück ist es nicht so warm, da hilft einfach viel Bekleidung am Besten.
Sonnenuntergang am Vättern ist heute um 21:57 Uhr. Wir sitzen erst noch im Freien, aber die Unzahl an Gelsen treibt uns kurz davor ins Dachzelt.
Per Sten, Omberg – Motala, So 4. Juni
9:40. Leonie schläft noch. Aber dann gibt es bald Frühstück. Zwei der WoMos sind bereits abgereist, der Ausblick über den Vättern gehört uns.
Dann radeln wir die kleine Küstenstrasse Richtung Norden. Die Norra Sjövägen ist eine Einbahnstraße, eine Scenic-Route für alle, die den Vättern anschauen wollen. Er glitzert links zwischen Buchen, Eichen und Wacholderstauden zu uns herauf. Nach ein paar Kilometern fährt Johannes retour, holt uns mit dem Auto ab und weiter geht es nach Motala zum Campingplatz Vättersol. Es ist ein kleiner, gut betreuter Platz. Drei vergnügte Senioren teilen sich hier die Arbeit. Einer nimmt uns in Empfang und erklärt den Platz. Wir können uns hinstellen wo wir wollen. Später kommt ein anderer, mit Formular und EC-Terminal zum Check-in. Abends desinfiziert ein Dritter die Türschnallen im Servicehus. Dazwischen hört man sie mit noch ein paar anderen von der Terrasse herüber lachen. Lustig.
Wir richten uns für zwei Tage ein, kochen, kurbeln das Bett auf und spannen die Wäscheleine. Johannes wartet und putzt uns die Räder. Die Ralley über die Schottertrassen hat sie ziemlich verdreckt. Leonie erkundet den Platz, schreibt eine Ansichtskarte und freut sich besonders über die Erdhummel und die Birke und darüber, dass das Klo kein Plumpsklo ist. Mit dem Schauferl in den Wald zu marschieren, gefällt ihr auch. Plumpsklos mag sie aber nicht.
Motala liegt am Göta-Kanal. Der Göta-Kanal ist eine Wasserstraße, die gemeinsam mit dem Trollhättan-Kanal quer durch Schweden verläuft.
Entlang der Kanäle verlaufen über weite Strecken Radweg. Deswegen sind wir hier. Auch heute radeln wir noch, erst zur Bucht, keine 200 m entfernt.
Bucht, Sandstrand, Strandpromenade, Restaurant mit Sonnenuntergangspanoramaterrasse – alles Dinge, an die ich beim Stichwort Schweden, bisher nicht dachte.
Die Bucht und der Campingplatz sind nordwestlich drei Kilometer außerhalb des Stadtzentrums. Wir radeln möglichst am Wasser entlang. Überall (fast) gibt es breite Wege, die freundschaftlich von Fußgänger:innen und Radfahrer:innen gemeinsam genützt werden. Zuerst kommen wir allerdings, rund um den Marieberg, in unwegsames Gelände. Schön ist es, aber zum Schieben. Wir retten uns, tragen die Räder über einen Trampelpfad zu einem normalen Weg hoch. Dann geht’s weiter in die Stadt hinein.
Da sehen wir einen Vogel, groß wie eine Krähe, auf dem Rasen herum stelzen, wie wir ihn noch nie gesehen haben. Was für ein Schnabel! Wie ein oranger, halblanger Jolly-Buntstift. Und seine Augen, seine Beine – knallrot. Noch nie gesehen. Später recherchieren wir. Es ist ein Austernfischer. Schickes Kerlchen!
In der Stadt kommen wir gerade zurecht und sehen, wie sich Diana, eines der großen Kanalschiffe, durch die letzte Schleuse vor dem Vättern manövriert.
Dann gibt es ein Eis – endlich. Und Waffel mit Eis, und Eispalatschinke zum Abendessen.
Wieder am Campingplatz, wir nahmen die direkte Route, freuen uns über die Dusche und die Waschmaschine. Leonie und ich schlafen bereits vor Sonnenuntergang, den Johannes am Strand genießt.
Motala, Göta-Kanal, Mo 5. Juni
Es ist halb drei Uhr früh, es dämmert und die Vögel beginnen wach zu werden. Faszinierend. Auch wir sind heute etwas früher dran. Aber zehn Stunden Schlaf braucht Leonie, unabhängig von der täglichen länger werdenden Sonnenzeit. Sonst ist es vorbei mit der guten Laune.
Zum Frühstück sucht sie sich die Fisolen aus der Dose aus. Hmm! Wir organisieren uns, nutzen das Servicehus, beobachten die Erdhummel, die Bachstelzen und die Ringeltauben, die hier alle auch am Campingplatz zu Hause sind.
Die Flasche mit dem provisorischen Feuchtpräparat muss nochmals in eine weitere Flasche gestellt werden. Das Putzmittel, in das der Hornhecht eingelegt ist, „saftlt“ durch das Gaffer heraus. Johannes nimmt die Sache selbst in die Hand.
Leonie erarbeitet sich im Selbststudium noch das d, das o und das a in Standardschrift.
Dann sind wir bereit für Erkundungen. Erst radeln wir zur Strandbucht. Es sind kaum Menschen unterwegs. Fürs Baden ist es auch uns zu kühl und für Qi Gong ist es zu windig. Aber wir wollen sowieso Rad fahren.
Erst radeln wir wieder in die Stadt. Schön sind nur wenige Gebäude. Nicht wie in Småland, wo fast jedes Haus einladend war. Aber es gibt Mehlspeisen, Smoothie, Saft und Kaffee. Und dann geht’s am Göta-Kanal ostwärts bis zum nächsten See, Boren, bis zur
Borenshults slussar (Schleuse). Vom Vättern bis zum Boren sind es rund vier Kilometer. An beiden Kanalufern führt ein Weg direkt am Wasser entlang.
Mit der Borenshults Schleusenanlage werden unglaubliche 15,3 m Wasserstandshöhe überwunden. Es gibt dafür fünf aufeinander folgende Schleusenkammern. Erbaut wurde sie vor genau 200 Jahren. Mehrfach las ich, dass der Göta-Kanal eines der beliebtesten Reiseziele in Schweden ist. Johannes und ich hatten vor den Reiseplanungen noch nichts von ihm gehört, aber das kurze Stück zeigt uns, dass uns mehr davon taugen würde.
Nicht nur die Schleusenanlage gibt es zu erkunden. Wir kommen an zahlreichen aufregenden Dingen vorbei. Am Grab von Baltzar von Platen, dem Ingenieure des Göta-Kanals, zum Beispiel, und an Kanadagänsen, die ihren Nachwuchs hüten.
Ein Gänsesägerweibchen, das Kücken auf dem Rücken transportiert – entzückend, wie die Kleinen auf und absteigen – , ist ebenfalls zu sehen. Und ein Mann, der seine beiden Hunde im Kanal schwimmen lässt.
In Schweden funktioniert merklich mehr als bei uns digital und bargeldlos. Öffentliche Toiletten, für die man eine App und dann einen Code braucht, Parken nur mit App, Code und Kreditkarte genauso unbemannte Geschäfte, Hotels und Tankstellen, verfügbar mit App, Code und Kreditkarte. Hier gäbe es heute Kayaks. Unbemannt. Hm. Wir wissen nicht, was wir davon halten sollen.
Leonie wollte ihr Eis nicht mehr und steckte es für die Dohlen, die beim Gastgarten bereits auf ihren Anteil warteten, ins Gras. Es dauerte keine zehn Sekunden, und eine der Dohlen flog, nach kurzem Streit mit den anderen, mit der Tüte im Schnabel auf und davon.
Überrascht toll, der Göta-Kanal. Wir wollen morgen mehr davon. Drei Kilometer in die Stadt, vier bis zur Borenshults Slussar und wieder retour, das reicht für heute.
Auf dem Heimweg begegnen wir wieder „unserem“ Austernfischer. Besser wird das Handy-Foto von ihm nicht.
Wieder am Campingplatz beschließen Johannes und Leonie noch zum nahen Vättern pritscheln zu gehen. Ich bleibe zu Hause und koche. Der Campingplatz ist wirklich zum Wohlfühlen. Die alten Herren schaffen eine entspannte, gemütliche Atmosphäre. Einer gieße die Blumen, ein anderen kontrolliert das Servicehus und der dritte begrüßt die neu ankommenden Gäste.
Motala – Sandviks Camping, Roxen See, Di 6. Juni
Heute überrascht uns der Schwedische Nationalfeiertag.
Was damit alles genau gefeiert hat sich im Laufe der Zeit verändert und ist an dieser Stelle nicht wesentlich. Jedenfalls haben die Schweden heute frei. Und – es ist Festtagsstimmung am Göta-Kanal!
Wir parken in Motala unsere Sachen, Leonie macht die Arbeit in der Küche, und verabschieden uns von diesem so netten Platz. Es geht heute ostwärts, erst zum Schloss Ljung am Göta-Kanal. Das Schloss ist eine Art Herrenhaus, anscheinend in Privatbesitz, wir wollen es sowieso nicht anschauen, sondern suchen einen Platz für ein zweites Frühstück. Es gibt einen kleinen Hafen und einen Picknicktisch. Perfekt. Es ist ausgemäht und hübsch, direkt am Ljungssjön.
Dann sind wir fit und stark um am Kanal entlang zu radeln. Wir starten bei der Brücke Ljung.
Zahlreiche Menschen sind unterwegs, es ist das erste Mal richtig gut warm und der Weg am Kanal ist absolut idyllisch. Und perfekt für uns zum Radeln: flach, breit genug weil doch einiges los ist, und immer mit Blick auf das Wasser. Sehr schick! Wir wollen bis nach Berg, es sind rund 8 km, dort mündet der Kanal in den Roxen See.
Alle Anlagen, die zum Kanal gehören – Brücken, Wärterhäuschen, Trogbrücke – sind mit Infotafeln, versehen. Was für ein aufwändiges Projekt, diese Wasserstrasse zu erreichten! Und kaum war sie fertig, 1832, wurde mit dem Bau der Eisenbahn begonnen und Güter wurden vor allem damit transportiert.
Kurz vor Berg kommen uns die ersten Boote entgegen. Sie müssen die Schleusen passiert haben! Wir kommen zur Brunnby sluss und wo gerade drei Segelboote geschleust werden. 5,3m Höhe werden dabei überwunden. Gestern Abend haben wir noch zwei Videos zur Funktionsweise einer Schleuse geschaut. Wir sind fasziniert, wie die Boote hochgehoben werden.
Von hier ist es noch gut ein Kilometer und wir sind bei den Schleusenanlagen von Berg. Hier überwinden die Boote in sieben Schleusen einen Höhenunterschied von 19 Metern. Wir haben Glück! Die Juno ist soeben in die untere Schleuse eingefahren. Die Juno, sie fährt seit 1874 am Göta-Kanal, gilt als das weltweit älteste aktive Passagierschiff mit Übernachtungsmöglichkeit. Es steht auch die Türe einer Kabine offen. Leonie und Johannes gucken in die schmale, aber schicke Unterkunft. Für die Strecke Göteborg – Stockholm benötigt sie vier Tage und drei Nächte.
Die drei Passagierschiffe, die für den Kanal gebaut wurden, haben die maximal mögliche Größe um in die Schleusen zu passen: 7 m sind sie breit und 30 m lang. Eine präzise Zusammenarbeit ist notwendig um die Juno in die Schleuse zu steuern.
Leonie kontrolliert die Länge.
Ich bin fasziniert von dem Luxus an Zeit und Aufwand, der mit dem Kanal und seiner Beschiffung verbunden ist. So viele Menschen sind konzentriert bei der Sache, damit es funktioniert.
Leonie geht, abgesehen von einer kurzen Eis-Pause, alle sieben Schleusen mit der Juno mit und schaut. Zwei der seitlich hängenden Holzpflöcke, die mit Sicherheit einen spezifischen Namen haben, werden zwischen Schiff und Kanalmauer zerrieben, aber sonst geht alles gut. Auch bei der obersten Schleuse, an der zudem gleich die Autobrücke, hier im Hintergrund, gehoben werden muss, ist sie noch konzentriert bei der Sache!
Johannes radelt retour und holt uns mit dem Auto ab. Es ist heiß, weit kommen wir heute nicht mehr. Nur bis zum Sandviks Campingplatz am nördlich Ufer des Roxen. Wir gehen sogar, kurz, ins Wasser.
Leonie findet am Campingplatz einen Socken (keine Sorge, sie hat kontrolliert ob er sauber ist), der sie die nächsten Stunden glücklich macht. Rabe Socke hüpft über die Wiese und turnt am Spielplatz mit anderen herum.
Auch heute verschlafen Leonie und ich wieder den Sonnenuntergang. Dafür sind wir morgen wieder fit und munter um nochmals ein Stück am Kanal zu radeln.
Sandviks Camping am Roxen – Farstanäs Camping bei Järna, Mi 7. Juni
Wir frühstücken, beobachten Rabe Socke, wie er eine Schipiste präpariert, plaudern mit den Nachbarn, aus Rosenheim und aus den Niederlanden, packen unsere Sachen und fahren in Richtung Söderköping. Wir wollen nochmals am Göta-Kanal radeln.
Wir fahren eine kleine Straße nördlich des See Asplången entlang. Kurz glauben wir, dass wir uns mächtig verfahren haben.
In Grensholm kommen wir durch diese prächtige Güterwegsallee. Und dann, im Feuchtgebiete des Asplången sehen wir wieder zwei Kraniche und beobachten einen Fischadler wie er sich auf seine Beute stürzt.
Wir parken das Auto am Göta-Kanal bei der Snövelstorps Bro (= Brücke). Bevor wir los radeln, geht es uns wie gestern: Es ist Mittag, wir sind hungrig und jausnen. So viel Jausen-Infrastruktur wie hier in Schweden, habe ich noch nie wo erlebt! Bin begeistert!
Dann geht es los: Wir wollen bis Söderköping am Kanal radeln und Johannes holt für uns wieder das Auto.
Ganz so pittoreske wie gestern ist es hier heute nicht: Wir haben Gegenwind – Leonie fährt am Abschleppseil – und der Kanal ist „ausgeputzter“. Macht nichts, es taugt uns trotzdem.
An einem der Infoschilder lesen wir, dass dieses Teilstück seit Anbeginn der Bauarbeiten 1810 wegen der instabilen Bodenbeschaffenheit problematisch war. Ab 2017 wurde der Kanalschacht Stück für Stück abgetragen und erneuert um weiteres Absinken zu verhindern. Deswegen sieht es hier aus wie es eben aussieht.
An der Schleuse Carlsborg Övre kommen wir gerade zurecht als drei Boote geschleust werden. Der Schleusenwärter springt, nachdem die Boote angefahren sind, ins sein Auto. Er muss, wie er uns davor sagte, zur nächsten Schleuse fahren. Die Brücke dazwischen macht sein Kollege. Das Leben in den Schleusenwärterhäuschen mit Familie, war da anders. Ich lese, dass es einen Schleusenwärter gab, der 45 Jahre lange die Venneberga Bro betreut hat.
Und irgendwann sind wir dann in Söderköping. Es ist ein nettes kleines Städtchen, das vor allem vom Göta-Kanal-Tourismus lebt. Wir essen, gehen eine Runde durch das Stadtzentrum und amüsieren uns über die Hasenskulptur samt Schild.
Wir beschließen, dass wir weiter bis Mem radeln wollen. „Ich will!“ sagt Leonie und hackt das Abschleppseil bei mir fest. Das werden also insgesamt 17 km heute. Wir strampeln gegen Wind, der von der Ostsee herein bläst und sind irgendwann da, im kleinen, hübschen Mem. Juhu! Mem bildet das Ende bzw. den Anfang des Göta-Kanal und liegt am Slätbaken Sund zur Ostsee. Hier ist auch die erste / letzte Schleuse.
Leonie und ich richten uns im Windschatten eines Schleusenhäuschens ein. Johannes ist eineinhalb Stunden später mit dem Auto wieder da. Kurz vor sieben. Die Sonne steht noch hoch am Himmel. Morgen wollen wir in Södertälje, 155 km weiter nördlich, ins Museum. Warum also nicht gleich hin fahren?
Abendessen? Wir bleiben am Stavsjön nahe der E4, stehen. Abendessen wird heute improvisiert. Ich habe bereits das restliche Knäckebrot mit Pesto gegessen. Leonie bekommt Fertignudeln. Johannes Buchstabensuppe. In diesem Gastgarten sind die beiden heute die einzigen Gäste.
Eigentlich hatten wir vor heute wieder „wild“ zu übernachten. Fann ist da der Campingplatz Wegweiser als wir kurz vor Södertälje abfahren und so stehen wir jetzt auf dem Campingplatz Farstanäs. Es ist eine große Wiese mit ein paar verteilten WoMos (zwei davon mit Gmundner Kennzeichen). Zum Zähneputzen fuhr ich mit dem Rad, weil das Servicehus so weit weg ist. Und morgen fahren wir in die Stadt, 15 km von hier. Morgen ist ein Museumstag in Södertälje.
Farstanäs Camping – Naturreservat Hjälstaviken, Do 8. Juni
Der Platz ist eigentlich sehr ok. Es gäbe attraktivere Stellplätze unter Bäumen und einen großen Badestrand, aber wir wollen ins Tom Tits Experiment in Södertälje. Zuvor kaufen wir noch Lebensmittel. Im Tom Tits gibt es mehrere Bereiche wo man seine mitgebrachten Sachen essen kann. Das ist hier üblicher als bei uns.
Das Tom Tits Experiment ist, wie der Name sagt, ein Haus für naturwissenschaftliche Experimente, physikalische Phänomene und Themen aller Art: Optische Täuschungen, einen Erdbebensimulator, ein Windstärke-Gebläse, Mechanik, Wasser und Magnetismus, Geschicklichkeitsspiele, Elektrotechnik und Seifenlauge, Riesen-Murmelbahn, Robocoaster und unzählige weitere kleinere und größere Stationen gibt es zum Erkunden.
Hoppla! So ist das wohl nicht gedacht!
Für den Robocoaster muss man, sehr zum Bedauern von Leonie, 120 cm haben. Aber mit dem „Självfallet“ lässt sie sich zigfach rauf und runter schleudern. Zum Glück sind nämlich am Nachmittag keine Schulgruppen mehr da und es ist deutlich entspannter als über Mittag.
Von Scania, die Firma hat ihren Hauptsitz in Södertälje, gibt es eine echte Fahrerkabine zum Bespielen. Und einen Darkroom gibt es auch. Bilder von innen werden nach außen übertragen:
Das gesamte Areal beeindruckt uns. Alle ist mehr oder weniger gemischt durcheinander. Es gibt kein einheitliches Gestaltungskonzept für das Haus, keine aufwändigen Behübschungen, aber viele Details, bei denen sich jemand etwas gedacht hat. Wir sind begeistert. Und dass es nicht ein Haus ist, wo die Kinder spielen und die Erwachsenen derweil in der Cafeteria sitzen, ist sichtbar. Wir gehören zu den letzten, die um 17 Uhr das Gebäude verlassen.
Exkurs: In Sachen Klo und Kaffee machen die Schweden wenig Tamtam und Trara. Die Toiletten sind immer für alle, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder anderen möglichen Parametern. Und auch der Kaffee ist einfach ein Kaffee. Man muss hier nicht vorher eine Bartista-Akademie besucht haben, um überhaupt bestellen zu können. Kaffee gibt fast überall einfach aus zwei Liter Thermokannen. Man bezahlt, kommt einen Becher oder eine Tasse, lässt sich selbst den Kaffee raus. Und Milch, meist in drei Varianten vorhanden – tierisch mit und ohne Laktose und pflanzlich – nimmt man sich aus dem Getränke Kühlschrank, so viel wie man will. Fertig ist der Kaffee.
Wir wollen noch ein Stück in Richtung Uppsala, 130 km weiter nördlich. Der Weg aus Södertälje raus ist lang und verworren, Navi Andrea hat unerwartet gröbere Ausfälle. Johannes übernimmt die Routenhoheit. Irgendwo entlang der Strecke machen wir eine Jausenpause und suchen einen Platz für die Nacht. Es wird der Parkplatz des Naturreservat Hjälstaviken. Es gibt eine tolle Infrastruktur: Tische, Toiletten, Mistkübel, Infotafeln und einen Weg mit Aussichtsturm. Dass der Hjälstaviken (See) nämlich einer der tollsten Wasservögelseen Schwedens ist, lesen und sehen wir, als wir parken. Wir organisieren uns und radeln das Stück zum Aussichtsturm.
Was sich da alles tummelt, auf dem Wasser und in der Luft! Auf dem Aussichtsturm, in einem Meer an Sumpf-Schwertlilien stehen Männer mit großen Spektiven, Guckern, einer packt auch seine Kamera mit Tele-Objektiv aus, und schauen schweigend den Vögeln zu. Hm. Wir würden da auch gerne durchschauen. Es wirkt aber nicht so, als ob sie gesteigerte Interesse an unserem Kontakt haben würden.
Wir schauen also mit bloßem Auge. Wir sehen, was wir sehen und hören tun wir sie auch, die beeindruckende Schar an Vögeln: Lachmöve und Fischseeschwalben, Tafelenten und Krickenten, Graugänse, Schnepfen und Strandläufer und sicher noch zahlreiche andere.
Inzwischen ist es Mitternacht und noch nicht ganz dunkel. Trotzdem: Gute Nacht!
Naturreservat Hjälstaviken – Naturreservat Hammarskog, Fr 9. Juni
Als wir vormittags wach werden – erstaunlich wie lange wir schlafen! – stehen bereits wieder mehrere Autos von Ornitholog:innen am Parkplatz.
Wir machen uns ein Frühstück, Couscous mit Zwiebel und Champions. Ja, pikant. Dann wollen wir, nachdem es hier so schön ist, noch etwas bleiben. Beim Radeln entdecken wir einen Baum, dem irgendeine Gespinnstmotte ziemlich zugesetzt hat. Unheimlich!
Auf der südlichen Spitze des Hjälstaviken, in Jungfrulunden, klettern wir den kurzen Weg zu den Aussichtsfelsen hinauf. Am gegenüberliegenden Ufer sehen wir den Beobachtungsturm von gestern und unseren Schlafplatz.
Beeindruckende Landschaft! So was gibt es in Ö einfach nicht. So viel Gestein, so viele so alte Bäume, so viel Platz für so viel Natur.
Auch der Steg, der am See durch das Schilf zu einem Vogelbeobachtungshaus führt, ist beeindruckend und schön. Leider, wir haben weder Fernglas noch Spektiv oder Teleobjektiv. Die Wasservögel bleiben unbestimmbar.
Dann, es ist bereits Mitte Nachmittag, muss es flott gehen mit dem Essen. Die Jause, die wir mit hatten, ist schon lange her. Johannes macht uns direkt am Parkplatz Pasta und Salat.
Gut gestärkt machen wir uns auf den Weg zum nächsten Platz, den wir spontan via park4night suchen. Noch Tanken, Wasserbehälter auffüllen und Lebensmittel einkaufen. Dann parken wir uns beim Naturreservat Hammarskog am See Ekoln, südlich von Uppsala, ein. Nur ein WoMo steht auch da. Ein unzählbares Gewusel an Chihuahuas begrüßt uns mit Gekläffe. So eine Aufregung. Die Besitzerin verfrachtet rasch alle Tiere nach drinnen. Ich glaube, die würden an so etwas wie Herzinfarkt sterben vor Aufregung, würde man sie länger am Zaun hochspringend und uns verbellen lassen.
Johannes und Leonie gehen noch ins Wasser. Es steht offenbar ziemlich still, ist voll „Naturmaterialien“. Lange sind die beiden nicht drin. Wir richten uns rund um den Berlingo gemütlich ein. Leonie ruft einen Weg im Gras aus. Ein paar andere Schlafwagen kommen. Die Schweden grüßen nicht. Ist irgendwie komisch. Wir kochen und essen und bekommen weitere Nachbarinnen:
Genug für heute. Die Sonne steht noch hoch als ich die Reißverschlüsse zum Schlafzimmer runter ziehe.
Naturreservat Hammarskog – Uppsala, Sa 10. Juni
Johannes kommt, als Leonie und ich aus unserer Schlafbox krabbeln, bereits vom See und berichtet uns von seinem eindrücklich Erlebnis. Er hat einen Fischadler bei der Jagd beobachtet. Er sah, wie er sich anpirschte, offenbar einen Fisch verfolgte, erfolglos zustieß, sich erneut umsah, und wieder zustieß. Diesmal war er erfolgreich, war länger im Wasser, bis er mit einem relativ großen Fisch in den Krallen, davonflog.
Beim Frühstück sind wir auch von Tieren umzingelt: links vorne die wuselige, kläffende Chihuahua-Bande, vor uns zwei große, lautlose Labrador und rechts, die Kühe. Aber der Fischadler hätte mich mehr interessiert!
Für das Naturreservat Hammarskog, am See Ekoln, an dessen Rand wir genächtigt haben, nehmen wir uns heute nicht viel Zeit. Eine kurze Runde fahren wir mit den Rädern. Beeindruckende alte Eichen, die die meterlangen dürren Äste einander zu recken, ein Steg entlang des Seefeuchtgebietes und ein Aussichtsturm. Bestimmt gäbe es hier mehr tolle Plätze zu erwandern oder erradeln.
Aber wir wollen heute nach Hammarby und weiter bis Uppsala. Wegen Carl von Linné und seiner Arbeit. In Hammarby hatte Linné ein Sommerhaus mit Garten und Park, das für Besucher:innen zugänglich ist.
Exkurs: Carl von Linné lebte im 18. Jahrhundert. Die Wissenschaftler (innen hatten kaum eine Chance es zu werden) damals versuchten die Welt und alles was ist, zu erfassen, zu verstehen und zu systematisieren. So auch Linné. In Korrespondenz mit zahlreichen anderen Universalgelehrten seiner Zeit, schuf er ein Ordnungssystem zur Bestimmung und Einteilung von Pflanzen. Später übertrug er diese Methode der Benennung auf Tiere und Mineralien. Das System nennt sich binäre Nomenklatur und wird bis heute angewendet. Jede Art von Lebewesen hat einen lateinischen zweiteiligen Namen: Gattung und Art. Wie Vorname und Familienname. Nachdem alle weltweit den gleichen Namen verwenden, kann man sich (ziemlich) sicher sein, dass man vom gleichen spricht und versteht Verwandtschaftsverhältnisse leichter.
Vom Naturreservat Hammarskog bis zu Linnés Hammarby sind es rund 25 km. Wir sind mittags dort.
In Hammarby wird ein zumindest für Botanik-Fans, besonderer Schatz gepflegt und gehegt: Etwa vierzig Arten aus Linnés eigenem Garten haben hier seit den Tagen als Linné hier lebte, forschte und lehrte, überdauert. Wir kommen genau rechtzeitig zur englischsprachigen Führung durch das Wohnhaus. Spannend und witzig.
Wir essen unsere mitgebrachte Jause und Linné-Leckereien aus dem netten Cafe mit Souveniren im Obstgarten. Das schöne Tablett ist unser eigenes. Das Motiv ist das nach Linné selbst benannte Moosglöckchen Linnea borealis.
Das Wetter ist, wie eigentlich jetzt immer, angenehm warm und sonnig. Wir spazieren durch den Garten und den Park und entdecken, dass es weitere markierte Wege außerhalb gibt. Den Kyrkastig (Kirchensteig) von Linné und seiner Familie und auch einen sog. Kulturstig. Aber dieser führt, oh no, durch eine Rinderweide.
Diese Erfahrung haben wir schon. Wir nehmen doch den Kyrkastig! Schöner Wald, aber wir bemerken bald, oder fürchten es zumindest, dass die Kühe, Johannes meint auch einen schwarzen Stier gesehen zu haben, auch in diesen Bereich des Waldes können. Wir suchen uns Stöcke. Nur für den Fall.
Wir kommen zum Platz, der Linnés Sofa genannt wird. Angeblich soll er hier auf dem Weg zur Kirche gerne gesessen sein. Das probieren wir auch aus.
Plötzlich haben wir dann überhaupt keinen Steig mehr, weder Kirche noch Kultur, sondern nur noch Natur und suchen uns den Weg retour selbst. Es hat viel zu lange nicht geregnet hier in Schweden. Das Moos und die Flechten sind so ausgetrocknet, dass sie unter unseren Füßen zerbröseln.
Ein beeindruckender, schöner Platz, Linnés Hammarby. In einem Gebäude ist eine Ausstellung mit Assemblagen aus trockenen Pflanzenteilen, im anderen Gebäude sind die Grundzüge der wissenschaftlichen Arbeit von Linné museal aufbereitet.
Gegen fünf Uhr fahren wir weiter nach Uppsala, 16 km, und checken für zwei Tage auf dem Campingplatz ein.
Sachen organisieren, kochen und essen, Servishus und finster ist es immer noch nicht. Zwei Videos zur Bestimmung von Pflanzen schauen wir gemeinsam. Dann ist es immer noch hell. Wir gehen jetzt trotzdem schlafen, auch wenn es komisch ist, so als ob man mitten am Tag so tun würde, als ob es Abend wäre. Aber es wird ja auch ab drei bereits wieder hell. Soo viel Sonnenzeit, die wir verschlafen!
Uppsala, So 11. Juni
Um ein Uhr nachts gehe ich zum Servcishus. Ist es noch hell oder bereits wieder? Theoretisch weiß man das ja, wie das hoch im Norden ist, mit der Sonne. Aber es zu erleben, ist irgendwie lustig irritietend.
Wir verbringen den Tag in Uppsala, der viertgrößten Stadt Schwedens. Durch die Stadt fließt der Fyrisån. An seinem Ufer gibt es Radwege und zahlreiche nett gestaltete Plätze.
Den Dom, mit gut 118 m sieht man ihn von weitem, wollen wir zuerst anschauen. Es wuselt in und um die Kirche. Es findet eine Prister:innenweihe statt. Nachwuchsschwierigkeiten scheinen die Protestanten hier nicht zu kennen. Touristen dürfen erst ab 13 Uhr wieder hinein.
Wir spazieren durch die Altstadt in Richtung Linnés Garten. Aber erst entdecken wir noch den Lubinger von Uppsala und freuen uns über ein zweites Frühstück, es ist ja beinahe Mittag!
Gleich gegenüber dem Kaffeehaus befindet sich das Gebäude, das Linné während seiner Professur an der Uppsala Universität mit seiner großen Familie bewohnte. Zum Haus gehörte ein vernachlässigter botanischer Garten, den er nach seiner Systematik neu gestaltete. Das Ensemble ist heute ein Museum und der Garten wieder nach seinen Pflanzungsplänen geführt.
Nach dem gestrigen Besuch seines Landhauses in Hammarby kennen wir bereits einiges: die Geschichte zu seinem Teeservice mit seiner Lieblingblume Linea borealis, seine Migräne-Kappe, die er hier auf einem Gemälde trägt und seinen Waschbären Sjupp.
Auch ein zweites Exemplar der hölzernen Zitruspresse gibt es hier. Die Familie Linné war im 18. Jahrhundert die einzige Familie Schwedens, in der es Zitrusfrüchte gab, frisch von den Pflanzen!
Im Garten entdecken wir unsere erstes Moosglöckchen, Linea borealis. Dass sie klein und zart ist, wussten wir. Aber so klein! Und so zart!
Leonie hätte gerne von Linnés Pflanzen genascht: Minzen, Weinraute, Magikraut, Salbei, unreife Feigen. Leider! Ist ein Museum und nicht Oma Johannas Gartenparadies! Später suchen wir uns den Coop und dort etwas für ein Picknick am Fyrisån. Aber jetzt ist die Prister:innenweihe vollzogen und wir besuchen den Dom, in dem sich auch das Grab von Linné befindet.
Bevor es wieder in Richtung Campingplatz geht, schauen wir noch zum Gelände des Schlosses. Mit den Rädern kommen wir flott herum, auch wenn wir für den Schlossberg das Abschleppseil brauchen. Eine schlichte monumentale Fassade, ein paar Kanonen und ein Aussichtspunkt.
Uppsala. Eine nette, grüne Stadt. Viele junge Leute und für uns das erste echte Moosglöckchen!
Uppsala – Westliches Vättern Ufer, Mo 12. Juni
Am Vormittag sind wir nochmals ins Zentrum geradelt. Wir haben für Sa 24. Juni die Fähre von Göteburg nach Kiel gebucht. Sie fährt die Nacht durch, wir haben eine Schlafkabine. Leonie hat gezählt: Es ist noch zwölf Mal schlafen bis dahin!
Wir schlendern eine Runde durch einen Teil der Stadt in dem wir gestern nicht waren, trinken Kaffee und essen Kanelbulle. Zimtschnecke, die schwedische Standardmehlspeise.
Johannes entdeckt eine Mäusebackstube! Sehr originell! Und richtig nett gemacht.
Im Stadtzentrum stammen viele Gebäude aus den 1970er Jahren, aber am Fluss kommen wir beim Stadtteil Lindorm entlang. Hier ist der Gebäudecharakter des frühen 20. Jahrhundert erhalten geblieben.
Leonie, sie kennt heute den Radweg und die Route bereits, bringt uns zurück zum Campingplatz. Es ist kurz nach zwölf als wir los fahren. Wir wollen südwestlich fahren, zwischen die beiden großen Seen Vättern und Vänern. Auch diese beiden Seen sind via Göta-Kanal miteinander verbunden.
Am Rastplatz Koviken, am Vättern, bleiben wir stehen. Weil wir dringend eine Fahrpause brauchen. Gejausnet haben wir unterwegs, irgendwo auf einem vermüllten Platz mit markantem Hügel (Leonie hat es überprüft: es gibt nichts besonderes zu sehen von oben). Aber bis hier waren es 252 km seit Uppsala und heiß ist es. Der Parkplatz ist direkt an der Straße. Zehn, zwanzig Meter sind wir die Böschung hinunter geklettert, und schon sind wir in einem netten lichten Wäldchen am Ufer des Vättern. Über die großen Steine kommen wir gut ins Wasser. Endlich ist es warm genug!
Der Platz, den wir dann für diese Nacht finden, ist nur mehr ein paar Kilometer weiter südlich und, zumindest auf google maps, namenlos. Wir sind zwischen Hanebäcken und Bocksjö am westlichen Ufer des Vättern in einer langgestreckten Bucht. Und hier sind wir, weil es hier wunderschön ist.
Wir organisieren uns und packen das Paddelboard aus! Juhu! Jetzt ist es warm genug, windstill und das Gewässer passend. Leonie und ich erkunden die Bucht vom Wasser aus. Johannes kocht derweil für uns.
Ein besonderes Feature des Ufer-Platzes ist die Anderswelt-Deko, die jemand zwischen dem Schotterweg und dem Platz wo wir stehen, aufgestellt hat. Hier gibt es Delfine und Zwerge, Schmetterlinge und Eulen, kleine Weiblein und Männlein einer unbekannten Spezies, Gartenzwerge, manche entweder nicht winterfest oder tatsächlich bereits lange hier wohnhaft. Weit und breit nur Wald und See, aber hier diese Wesen. Ein paar sind vom Leben in der freien Natur gezeichnet. Leonie versucht sie zu reparieren.
Wir sitzen noch eine Weile vor dem Auto und genießen die Landschaft in der späten Abendsonne. Die Flasche Averna, die wir eingepackt hatten, ist jetzt leer. Vom Gin haben wir noch etwas.
Trotz Decke und Haube und Socken, sind uns bald die Gelsen zu lästig und wir ziehen ins Bett um.
So schön hell ist es um 22:30 noch, aber wir sind müde.
Westliches Vättern Ufer – Töreboda, Di 13. Juni
Johannes fährt am Vormittag mit dem Paddelboard. Erst alleine und dann mit Leonie.
Jetzt endlich sind die Umstände so, dass es super möglich ist! Die Boviken Bucht in der wir stehen, ist zum Vättern hin durch mehrere Inseln abgeschirmt. Mit dem Paddelboard wollen Leonie und ich zu diesen Inseln. Drei Stunden sind wir unterwegs und ganz rundherum wird uns doch zu lange. Erst jetzt finde ich auf einer schwedischen Homepage heraus, dass es sich bei den Inseln und ein Gebiet am Festland um ein Naturreservat handelt: Uvviken-Kyrkogårdsön.
Wir legen auf der Mini-Insel Nätholmen an. So ein schöner Platz! Der glatte bealgte Stein bildet eine Art Natur-Wasserrutsche. Aber dann entdeckt Leonie die Fische und will einen fangen. Mit der Hand. Tatsächlich gelingt es ihr zwei zu erwischen.
Sie ist stolz! Wie Ronja Räubertochter! Die beiden Fischlein kommen in unsere leere Wasserflasche, werden später nach Johannas Anweisung ausgestreift und gebraten. Leonie isst sie mit Aufregung und Genuss.
Auf dem Rückweg legen wir noch bei der größeren der Inseln, Kyrkogårdsönan, an. Wir gehen ein Stück in den Wald hinein. Weit kommen wir nicht, Leonie findet ein Skelett. Irgendeine Art von Reh ist hier verendet. Ja, den Schädel kannst du mitnehmen!
Johannes hat die familienfreie Ruhe genossen, freut sich aber, als wir wieder retour kommen.
Unser Wasser ist aufgebraucht. Mit den Lebensmitteln würde es noch bis morgen reichen, wenn auch ohne Auswahlmöglichkeiten. Aber dann entscheiden wir doch, dass wir weiter fahren. Erst bis Karlsborg. Wir sind jetzt am Vättern hier ziemlich auf der Höhe von Motala, das gegenüber am weit entfernten Ufer liegt.
In Karlsborg gehen wir einkaufen, jausnen am Seeufer und streiten darüber, wer sich im Geschäft mehr ausgesucht als der andere. Johannes geht noch mehr Wurst kaufen. Die zweite Jause essen bei dieser DC 3, nahe der Festung Karlsborg, eine Anlage, die vom schwedischen Militär genutzt wird.
Nachdem wir dann doch alle satt geworden sind, fahren wir bis zum Campingplatz Töreboda. Macht 63 km von Boviken via Karlsborg nach Töreboda.
Bei Sonnenschein, frisch geduscht und wieder versöhnt nach der Wurst-Krise, schauen wir im Dachzelt die Fotos des Tages an und schlafen bald ein.
Töreboda, Tåtorp, Mi 14. Juni
Vorlesen und Kaffee kochen, schauen, welche Bekleidung wir brauchen, schauen, welche Art von Frühstück wir machen, aufräumen, Bett einfahren oder auch nicht – wir sind routiniert was unsere morgendlichen Abläufe betrifft. Um 10 Uhr sind wir startklar für eine Radtour am Göta-Kanal, der Grund weshalb wir nach Töreboda gekommen sind.
16, 3 km werden es, die wir heute am Göta-Kanal radeln. Mit Schleppdienst.
Gleich südlich außerhalb von Töreboda wartete die erste Attraktion auf uns: die kleinste Fähre Schwedens, die fahrplanmässig seit 1919 in Betrieb ist. Die Überfahrt über den 24 m breiten Göta-Kanal dauert rund 20 Sekunden. Ein junger Mann zieht uns per Hand, am Seil, an dem die Fähre hängt, hinüber. Und, nachdem der Radweg am linken Kanalufer verläuft, auch wieder zurück.
Dann brauchen wir bald eine erste Pause. Am Kanal ist eine Schlafhütte, wie es sie hier im Norden gibt. Für Wanderer und andere Reisende, mit Feuerstelle und in diesem Fall auch mit Toilette, gibt es diese Infrastruktur. Super!
Der Radweg führt am alten Treidelpfad dahin, also immer unmittelbar am Wasser.
Auch hier gibt es wieder die Beschilderung mit Infos und Geschichten zum Kanal und seiner Infrastruktur. An einer Stelle erfahren wir, dass ein talentierter Zwölfjähriger mit technischen Zeichenarbeiten der Pläne beauftragt gewesen ist.
Wir erreichen die höchste Stelle des Göta-Kanal. Um diese zu markieren, zu feiern und zu würdigen, wurde hier ein Obelisk aufgestellt.
Und dann sind wir auch schon da, in der Ortschaft Tåtorp, wo der Kanal mit Hilfe einer Schleuse in den Viken See8 mündet.
Wir essen die restliche Jause, trinken und dann radelt Johannes, mit Gegenwind, retour um uns wieder mit dem Auto abzuholen. Leonie und ich machen es uns erst im Schatten einer großen Birke gemütlich. Es ist richtig heiß heute und so lockt uns dann doch das Wasser. Bisher waren wir immer nur am Wasser des Göta-Kanal, heute sind wir zum ersten Mal auch drin. Leonie überquert ihn, auch im Alleingang.
Jetzt müsste doch Johannes dann mal kommen. Hm. Gut, nochmal schwimmen. Johannes ruft an, seine Internetverbindung streikt. Er ist dabei sich mit unserem, zum Glück ziemlich guten analogen Kartenmaterial den Weg zu uns zu suchen. Und tatsächlich, er findet uns auch ohne GPS! Wieder vereint fahren wir retour nach Töreboda. Auch hier gibt es zu unserer Freude einen coop. Kochen, essen, duschen, aufräumen, fangen spielen mit einer neugierigen Stockente. Dann ist es halb acht und wir gehen noch an die Kanal-Promenade. Einige Jugendliche baden, paddeln und springen. Ein großes Schiffe und mehrere Segelboote stehen bereit um morgen Früh in Viken geschleust zu werden. Auch hier sind die Menschen mit diversen Reisearbeiten beschäftigt. Wasser nachfüllen, Equipment kontrollieren und auch einfach Abendessen. Ein älterer Mann auf einem kleineren Motorboot fällt besonders auf. Nicht nur, dass das Boot deutlich kleiner ist als als alle anderen, es hat auch keine geschlossene Kajüte, sondern einfach eine offene Schlafstelle mit Überdachung.
Sjötorp, das ist unser morgiges Ziel. Abschleppseil einpacken! Und, keine Sorge, Johannes hat bereits den Straßenatlas studiert. Er wird uns wieder finden.
Töreboda – Sjötorp, Do 15. Juni
Beim Campingplatz ist ein kleines Freibad dabei. Da gehen wir heute Vormittag hin. Mir kommt es zwar etwas absurd vor, sooo viele Seen und der Kanal (soeben fährt das Schiff Bellevue vorbei) gleich hinterm Pool, und wir gehen ins Chlorwasser. Aber gut. Leonie hat sich zu einer Wasserratte entwickelt und hat sichtlich Freunde. Johannes auch.
Zusammengepackt haben wir bereits vor dem Freibad, aber dann sind wir hungrig und im Freibad Buffet gibt es Burger. Dann radeln wir noch in den Ort zum Supermarkt. Das Öl ist aus. Dann ist die Brücke im Ort gerade hochgeklappt und wir schauen den vorbeifahrenden Schiffen zu. Ein größeres Segelboot namens Esmeralda, eine schwarze Luxusjacht und ein kleines Motorboot. Und dann sind wir reisefertig. 14 Uhr. Wir wollen zum größten See Schwedens, dem Vänern, radeln. Bei Sjötorp mündet dort der Göta-Kanal. Das Schild sagt 18,2 km. One, two, three, go!
Der Kanal wird von vielen Menschen zum Baden und Schwimmen genutzt. So auch bei der Brücke in Gastorp. Diese Woche haben in Schweden die Sommerferien begonnen.
Bereits bei der Schleuse Hajstorp haben wir die drei Boote eingeholt. Und – Leonie will beim Schleusen zuschauen. Vom Viken See zum Vänern geht es bergab. Insgesamt gibt es auf diesen 35,2 km 20 Schleusen mit denen 58 Höhenmeter überwunden werden. Es sind insgesamt vier Schleusen. Und, das wissen wir inzwischen: Schleusen braucht Zeit. Schleusen funktioniert immer gleich. Das stört Leonie nicht weiters.
Auch in Riksberg, 1,4 km weiter, sind wir wieder vor den Schiffen da. Leonie will auf die Schiffe warten und dann zuschauen.
Johannes wird es zu doof. Er hat schon verstanden wie schleusen funktioniert. Er schlägt uns vor, dass wir getrennt nach Sjötorp radeln, wenn er dort ist, er wieder retour fährt, um das Auto zu holen, sich dabei unsere Wege ja kreuzen und wir uns dann wieder in Sjötorp treffen. Super Idee, alle Bedarfe unter einen Hut gebracht!
Wir sitzen und schauen. Riksberg besteht aus drei zusammenhängenden Schleusen. Es dauert. Und kurz danach kommt eine Autobrücke, eine schwenkbare. Wir sitzen und schauen. Bis die Brücke wieder geschlossen ist.
Und dann hat auch Leonie genug. Wir radeln. Und wir radeln tatsächlich an sämtlichen Brücken und Schleusen vorbei. Bis wir kurz nach der Eisenbahnbrücke Lyrestad eine Pause brauchen. Wir trinken, jausnen und springen in den Kanal. Am anderen Ufer beobachten wir Kaulquappen und Libellen. Nach den drei Schiffe halten wir auch Ausschau, aber bei der Anzahl an Schleusen, müssen sie weit hinter uns sein. Da kommt Johannes bereits retour aus Sjötorp! Wir schwimmen retour, tauschen unsere Erlebnisse aus, Jause gibt es auch noch und dann radeln wir wieder in entgegengesetzte Richtungen.
In Sjötorp tut sich um einiges mehr als in Mem und Tåtorp. Es gibt WoMo Stellplätze, Restaurants, mehrere Hafenbecken und, wir finden was wir suchen, einen „badplats“ am Vänern!
Irgendwann sehen wir dann auch, dass der Schleusenwärter zur letzten Schleuse zum Vänern gekommen ist. Gespannt warten wir auf die drei Boote, die wir heute so oft gesehen haben. Als sich die Schleuse öffnet, kommt nur das kleine Motorboot heraus. Ist es dem Segler und dem Schwarzen vielleicht zu schnell gegangen? Jedenfalls heben sie sich die Fahrt auf dem Vänern für morgen auf! Johannes findet uns heute ohne Probleme. Wir schwimmen noch eine Runde, springen vom Floß und fahren ein paar Kilometer aus dem Ort raus auf einen größeren Standplatz am Ufer des Vänern.
Zum Abendessen gibt es frische Fladenbrote mit Frischkäse, Avocado und Tomate, und einem veganen Aufstrich, der so intensiv nach Fisch schmeckt, dass ich ihn gerne Leonie und Johannes überlasse.
22:40. Jetzt liegen wir alle drei und die unendliche Gute Nacht Geschichte kann ich noch ohne Stirnlampe vorlesen.
Um Mitternacht sieht es dann immer noch so farbig schön aus:
Sjötorp, Fr 16. Juni
Der Vänern ist mit 5519,1 km² der größte See Schwedens und auch der EU. Das Mühlviertel ist im Vergleich dazu 3080 km² groß. Wir sind in einer kleinen Mini-Bucht außerhalb von Sjötorp, aber selbst hier sind sie Wellen so, dass aus unserm Paddelboad Vorhaben nichts wird. Einen Leuchtturm gäbe es, mehrere kleine Stein-Inseln und bis Sjötorp würden wir es auch schaffen. Aber, zu windig. Wie am Meer in Kroatien.
Wir waren lange wach und schlafen lange. Und, plötzlich haben wir das Gefühl, nicht mehr genügend Zeit zu haben. Zur Westküste in Richtung norwegische Grenze wollten wir doch auch, und der Trollhättan-Kanal und überhaupt. Wir machen einen ungefähren Plan wie wir die Tage bis zur Fähre am 24. Juni verbringen werden.
Leonie hat gestern Abend bereits einen Pfeil und Bogen haben wollen. Sie übt den Umgang damit.
Am späteren Vormittag klettern wir auf den Steinen in der Bucht herum. Ronja, Birk und eine Weile auch Borka, Birks Papa, sind unterwegs. Sie springen über tiefe Schluchten, flüchten vor den Graugnomen, versuchen Fische zu fangen und in den gefährlichen Strudeln zu baden.
Nachmittags radeln wir die gut zwei Kilometer in den Ort Sjötorp hinein.
In einem Gastgarten haben sie in einem Eck gepolsterte Gartenmöbel. Nach so vielen Picknickdecken-Mahlzeiten sind wir davon begeistert so herrschaftlichen zu sitzen. Außerdem gibt es fish and chips.
Der Ort hat eine für uns perfekte Infrastruktur: öffentliche Toiletten, Trinkwasser-Stelle, und den kleinen Badestrand an dem wir auch gestern bereits waren.
Es ist Abends, als wir wieder retour radeln. Wir kochen und essen. Leonie ist lange bei einem Mann aus Köln, der fischt. Aber irgendwann geht doch die Sonne unter und wir schlafen.
Sjötorp, Sa 17. Juni
Heute früh ist es windstill. Ich bin früh wach, schleiche die Leiter hinunter und gehe in den Vänern schwimmen. Da höre ich auch schon Leonie rufen. Sie will auch. Über die Steine ins Wasser zu kommen erfordert etwas Konzentration. Und dann – hinein ins Wasser. Ein paar Haubentaucher ziehen in der Ferne vorbei. Und die schrillen Rufe der Seeschwalben hören wir. Sonst nichts und niemand. Johannes schläft noch. Alle anderen am Platz anscheinend auch. Wir gehen zu den Ronja und Birk Felsen und spielen. Springen über tiefe Schluchten, retten uns vor den Graugnomen und versuchen, heute fiktive, Fische zu fangen bis uns Oberräuber Borka zum Frühstücksporidge ruft.
Wir entscheiden, dass wir hier noch bis morgen bleiben. Hier ist alles was wir brauchen. Es ist schön. Es gibt einen tollen Spiel- und Badeplatz für Ronja, Birk und Borka, der Ort Sjötorp mit Trinkwasserstelle, Eis, Strand und Geschäft ist nicht weit. Und wir wollten ja mit dem Paddelboard Inseln erkunden. Das ist heute hier auch möglich. Nach dem Frühstück machen wir uns dafür startklar und Leonie und ich paddel los. Johannes wird radeln und am kleinen Strand von Sjötorp treffen wir uns.
Johannes radelt nach Sjötorp und dort den Göta-Kanal entlang. Es ist Wochenende und einiges los in den Schleusen.
Derweil steuern wir die erste Mini-Insel an. Wir sehen mehrere frisch geschlüpft Libellen, die darauf warten, dass ihre Flügel trocknen.
Und dann bemerken wir rasch, dass wir in das Brutrevier von Seeschwalben gekommen sind.
Erst finden wir es noch spannend. Leonie entdeckt zwei leere Nester aus Federn. Wir gehen noch ein paar Meter und dann beginnen die Tiere Leonie im Sturzflug zu attackieren. Vielleicht mit eineinhalb Metern Abstand stürzen sie wild schreiend über sie hinweg. Wir sind rasch wieder weg. Als wir bereits wieder am Wasser sind, werden wir noch beobachtet und umkreist. Sorry, das war nicht unsere Absicht!
Wir nehmen die nächsten Felsen der nächsten Insel und alles bleibt ruhig.
Wir schauen uns um, schwimmen und überlegen, welche Route wir hinüber zum Strand von Sjötorp nehmen. Es kommen doch reger Schiffsverkehr heute und der Wind ist stärker geworden. Aber, wir kommen gut an und treffen Johannes, der eine Jause für uns mitbringt! Wir schwimmen, Leonie baut die Sandburg, die von gestern noch steht, um und Johannes fährt eine Runde mit dem Paddelboard.
Dann geht es retour zu unserem Platz. Von Nordwesten her treibt uns der Wind gut an. Wieder beim Berlingo, halten wir heute tatsächlich alle drei ein Mittagsschläfchen! War ja auch bereits ein langer Tag! Wieder bei Kräften wollen wir zum Leuchtturm an der Spitze der nächsten Landzunge radeln. Der Platz nennt sich Härnasuddens fyrplats. Es ist uns zwar nicht ganz klar, ob es privat ist oder nicht, aber nach dem niemand da ist, und doch alles irgendwie offen und zugänglich, gehen wir durch das sorgfältig gepflegte Gelände zum Leuchtturm. Ein schöner Platz! Obwohl westlich von uns noch eine große Insel ist, haben wir das Gefühl an einem Meer zu sitzen.
Wieder beim Berlingo kochen wir, gehen noch auf eine Runde zu den Ronja, Birk und Borka Felsen und dann zeitiger als die letzten Tage ins Bett. Alle sind wir müde, und Sonnenuntergang gibt es heute auch nicht, es ist bewölkt.
Sjötorp – Lidköping, So 18. Juni
Frühmorgens tröpfelt es leise und zart auf unser Dach. Und langsam aber doch wird daraus ein Regen. Endlich. Es hat seit Wochen hier nicht geregnet. Die Schweden kennen dass, immer wieder setzen sich in Südschweden Hochdruckgebiete fest und der übliche regelmäßige Regen bleibt aus. Staubtrocken war es in den Wäldern, vertrocknet die Frühlingsblumen, zu Staub zerfielen die Moose und Flechten, wenn wir darauftraten.
Für uns, die wir im Freien stehen, sobald wir unser Bett verlassen, war es durchaus angenehm, dass wir nicht ständig Wasser und Feuchtigkeit ausgesetzt waren. Aber heute ist der Himmel über dem Vänern wolkenverhangen grau.
Wir wollten ohnehin heute relativ zügig weg fahren. Aber der stärker werdende Regen beschleunigte unseren Aufbruch deutlich. Ein Highlight gibt es noch bevor wir den tollen Platz südlich von Sjötorp verlassen. Die erste Fliege aus Leonie’s Kokons war geschlüpft. Ich habe vergessen zu berichten, dass unser Zoo, bestehend aus dem eingelegten Hornhecht und dem Reh-Schädel im Plastiksackerl, in Töreboda um vier Fliegenpuppen erweitert wurde. Leonie fand die Puppen in einer unserer Kisten. Nein, nicht zwischen Mehl und Grieß, einfach in der Box mit Wäschekluppen, Expander und Co. Jedenfalls wurde die Fliege in die Freiheit entlassen. Drei Puppen stehen noch unter Leonie’s Beobachtung.
Wir fahren nach Sjötorp. Dort gibt es alles, was uns an diesem Regenmorgen rettet: ein öffentliches, trockenes Servicehus zum Zähneputzen und überdachte Picknicktische gleich am Kanal. Perfekt!
Mit dem Beginn der Sommerferien hat die Hauptsaison begonnen. Geschleust wird jetzt immer. Auch bei Regenwetter. Johannes hat geschaut, für Boote unter sechs Meter, kostet die fünf Tage dauernde Fahrt durch den Göta-Kanal rund 300 Euro.
Wir fahren den Vänern nach Süden hinunter, bleiben in Mariestad zum Einkaufen stehen, auch am Sonntag haben die Supermärkte hier offen. Kurze Zeit später biegt Johannes zur Kirche Husaby ab: „Ich weiß doch, womit ich dir eine Freude machen kann!“ Die romanische Kirche stammt aus dem Jahre 1100.
Mit der Deckenmalerei spielen wir „Motive erraten“: Wer findet „Jesus wird vor Pontius Pilatus geführt“?, Wo ist „Maria Verkündigung“? und wer findet „Flucht nach Ägypten“? Leonie und Johannes sind ziemlich gut!
Es regnet immer noch. Die Wanderung, die wir für heute angedacht hatten, verschieben wir auf morgen. Dafür mieten wir uns am Kronocamping in Lidköping eine Hütte. Hui, perfekt! Warm, trocken, mit Bad und Küche und vier Betten! Rasch hinein, in die luxuriöse Stube!
Wir ziehen ein, trocknen unsere Sachen, Leonie macht Teig für Fladenbrote und Johannes testet die Couch.
So richtig zieht es uns heute gar nicht mehr aus dem Haus, aber Johannes motiviert uns doch für eine Radelrunde durch das Zentrum von Lidköping. Wieder ganz anders als Uppsala oder Söderköping oder Motala.
Lidköping liegt an einer großen Bucht des Vänern. Der Campingplatz ist direkt am Badestrand. Bei diesem Wetter heute, ist allerdings kaum wer unterwegs.
Leonie und Johannes pflücken Brennessel für einen warmen Tee vorm Schlafen gehen. Und dann freuen wir uns über die richtigen Betten!
Lidköping – Trollhättan, Mo 19. Juni
Wir hatten es trocken und warm. Und wir hatten attraktivere Ausblicke vom Bett aus. Nach dem Frühstück packen wir wieder von indoor auf outdoor um und nutzen es als Gelegenheit für ein kleines Rundumservice unseres absolut zuverlässigen Reisemobils.
Heute wollen wir bis zur Spitze des Naturreservats Hindens rev wandern. Hindens rev ist eine arg schmale und gerade Landenge, die von Osten her fünf Kilometer in den Vänern hineinreicht. Schmal bedeutet, dass sie nie breiter als 100 Meter wird.
Und los geht’s!
Der Weg geht flach dahin, die höchste Stelle über dem Vänern hat 21 m, ist mal breiter, mal schmäler und weht ein angenehmer Wind. Nachdem es ein Naturreservat ist, bleibt alles Totholz liegen und der Weg ist gesäumt von Kiefern, Eschen, Erlen, Birken und Staudenpflanzen, die vom Wind aus Nodwest gezeichnet sind. Leonie entdeckt die ersten reifen Walderdbeeren und irgendwann lichten sich die Pflanzen und wir sind an der Spitze angelangt. Der Wind weht, der Vänern erstreckt sich um uns in alle Richtungen, außer dem schmalen Bereich, aus dem wir kamen.
Will man die Geographie dieses Platzes verstehen, muss man ihn erwandern oder im Internet ein Luftbild davon suchen. Die Fotos zeigen sonst nicht mehr als ein normales Seeufer.
Wir waten im flachen Wasser umher, staunen und jausnen. Und dann geht’s wieder retour. Auch Leonie schafft es, als Atreju der unendlichen Geschichte gut.
Auf dem Rückweg sammeln wir in unser leer gewordenes Jausensackerl allen Müll, der entlang des Weges liegt, ein. Auf den fünf Kilometern wird er doch ziemlich voll. Überhaupt verlassen wir alle Naturplätze sauberer als wir sie vorfinden.
Ein kurzes Stück retour ist die Ortschaft Svalnäs mit einem langen Sandstrand. Wir jausnen wieder und Johannes schnitzt für Leonie und mich Weidenflöten. Wir sind begeistert, wie Johannes es macht und welch tollen Klang die Flöten haben.
Es ist uns zu kühl zum Schwimmen. Und wir entscheiden, dass wir doch nicht wo hier am See wild campen, sondern fahren (64 km) bis Trollhättan, zum Campingplatz. Wir organisieren uns, kochen (scheint ein hungriger Tag zu sein) und bevor wir schlafen gehen, schauen wir uns noch die neue Brücke über den Kanal Götta älv an, die am 30. Juni für den Verkehr freigegeben werden wird.
SCHWEDEN SPECIAL: C, G, M und K, diese Fotos sind für euch – Landwirtschaft auf Schwedisch!
Trollhättan – Göteborg, Di, 20. Juni
Jetzt haben wir definitiv das Gefühl überhaupt keine Zeit mehr zu haben. Wir werden, es hat sich jetzt so ergeben, an keinem einsamen Seeufer mehr stehen, keine kleine Kyrka, an der wir zufällig vorbei kommen, mehr anschauen, das Paddelboard nicht mehr auspacken, keinen Abstecher nach Norwegen machen, keinen Elch-Park besuchen, die Schären an der Westküste nicht mehr anschauen und auch das westliche Ufer des Vänern ebenfalls ungesehen zurück lassen. Wir freuen uns auf zu Hause, aber heute werden wir planlos Trollhättan mit dem Rad erkunden.
Zuvor findet Leonie am Campingplatz die ersten reifen Felsbirnen und telefoniert mit dem vegetarischen Wursttelefon mit Michaela.
Trollhättan liegt südlich des See Vänern. Die weitere Strecke des Göta-Kanal, der quer durch Schweden führt, geht durch die Stadt weiter bis Göteborg. Der Kanal wurde durch den Felsen gesprengt.
Wir radeln herum, sehen unsere erste Kirche mit Toilette und stellen fest, dass die Schweden deutlich größer sind als wir sein müssen.
Und wir wundern uns über den Trollhättan-Wasserfall. Über Jahrhunderten wurde die Wasserkraft des Fluss Göta älv für Mühlen und andere mechanische Antriebe genutzt. 1910 wurde dann ein großes Kraftwerk zur Stromgewinnung eröffnet und damit der Wasserfluss völlig gestoppt.
Nur zu besonderen Festtagen und Feierlichkeiten wird der Wasserall „aufgedreht“.
Wir kaufen Jause ein, sitzen am Kanal und dann am nicht sonderlich schicken Hauptplatz. Wir sitzen und schauen und sind merklich gesättigt mit Eindrücken, Erlebnisse und Erfahrungen. Sitzen und schauen geht ziemlich lange. Und Leonie findet die Kunstrasenlandschaft, die am Hauptplatz installiert ist, lustig.
Immer wieder haben wir bei unserer Reise durch Südschweden ein „Achtung spielende Kinder“ Schild gesehen, auf dem ein Kind eine Schnecke hinter sich herzieht. So eines hätten wir auch gerne. Ich recherchiere, frage kurz eine Kellnerin und weiß bald, wo wir dieses Schild kaufen können. Wir radeln retour zum Campingplatz und fahren zu Biltema, einer Art schwedisches Bauhaus.
Halb fünf. Wir machen uns auf den Weg nach Göteborg, unsere letzte Station, bevor wir am Samstag Tickets für die Fähre nach Kiel haben. Von Trollhättan bis Göteborg sind es 80 Kilometer. Wir checken am Askim Campingplatz, in einer Bucht südlich des Stadtzentrums ein. Wir machen nicht mehr viel, organisieren unsere Sachen, kochen und essen und duschen und spazieren noch vor bis zum Meer.
21:00 Uhr; ganz golden fällt das Licht der noch lange nicht untergehenden Sonne in die Bucht. Wir gehen schlafen.
Tages-Special: Alwin hat heute seine Lehrabschlussprüfung (Installations- und Gebäudetechnik, Gas- und Sanitärtechnik, Heizungstechnik) mit Auszeichnung absolviert! Wir telefonieren, gratulieren und freuen uns mit ihm über seinen Erfolg!
Göteborg, Südliche Schären, Mi 21. Juni
Heute morgen regnet es als wir aufwachen. Doch zum Frühstück hat es zwar angekühlt, aber bereits wieder aufgehört.
Wir wollen heute zu den südlichen Inseln, die Göteborg vorgelagert sind, fahren. Es ist eine schöne organisatorische Herausforderung für mich: Fahrplan-App, Online Tickets, Route in der App finden und dann in echt. Vom Campingplatz zuerst mit dem Fahrrad die Bushaltestelle finden, dann zwei verschiedene Busse nehmen um dann in die Straßenbahn umzusteigen. Endstation der Straßenbahn ist die Schiffsanlegestelle Saltholmen von wo es in die Schärengärten geht. Vom Campingplatz bis Saltholmen dauerte gut eine Stunde.
Wir fahren mit den langsameren Schiff, das an den fünf großen Inseln anlegt. Auf der südlichsten bebauten und bewohnten der Insel ist Endstation, dort steigen wir aus: Vrångö.
Als Schären bzw. Schärengärten bezeichnet man Landschaften, die durch eiszeitliche Gletscher abgeschliffene Steine geformt sind.
Die Inseln sind autofrei. Die Bewohner:innen nutzen diverse Vehikel um Sachen und Menschen zu transportieren.
Ein Teil von Vrångö ist ein Naturreservat. Dort gehen wir die Norra Slingan, die nördliche Runde. Aber erst entdecken wir den Fußballplatz. Er taugt uns: Er wird heute von einer großen Schar Weißwangengänsen und einer Gruppe Austernfischer als Weide genutzt. Einige andere Vögel, Schwalben, eine Amsel und weitere, die wir nicht identifizieren können, sind auch am Platz unterwegs.
Wir kommen zu großen Felsformationen. Leonie will Ronja und Birk spielen. Ok. Johannes schnitzt Flöten, heute aus rotem Holler. Johannes hat seine Technik bereits perfektioniert. Der Schnabel und die Anblaskante des Kopfstückes sind nicht mehr nur funktionell, sondern stilvoll geformt.
Wir kommen bei tollen Picknicktischen vorbei, haben allerdings unsere Jause bereits am Fußballplatz aufgegessen.
Der Weg ist beeindruckend, sowie die gesamte Landschaft von Vrångö. In einer kleinen Bucht machen wir nochmals eine Pause: spielen und Flöte schnitzen.
Leonie findet heute auf der Fähre einen Teelöffel, und auf Vrångö eine Sandschaufel und eine Sandkuchenform und diese Fahnen samt Stange. Wir fixieren sie auf einem hohen Felsen, in einer Spalte. Der Fels ist damit als Mattisburg markiert.
Es ist kurz nach fünf als wir zum Ort retour kommen. Wir sind bereits sehr hungrig. Es gäbe ein kleines Lokal bei der Anlegestelle, nehmen aber dann doch das Schiff, das gerade abfährt. Auf der nächsten Insel, da steigen wir wieder aus. Wir sahen auf der Herfahrt, dass es auf Donsö einen Supermarkt gibt. Endlich Essen!
Juhu! Das nächste Schiff retour nach Saltholmen lässt nicht lange auf sich warten. Wir schaffen es wieder die Stadt zu durchqueren, finden zurück zu den Rädern und zum Campingplatz.
Heute war Schweden nochmal ganz anders als bisher.
Göteborg, Liseberg, Do 22. Juni
Heute ist es soweit. Wir besuchen den größten Vergnügungspark Skandinaviens:
Leonie wünscht es sich sooo. Im Tivoli, in Kopenhagen, sind wir zwar eine Parkrunde gegangen, haben aber nur zugeschaut und sie auf Gröna Lund in Stockholm vertröstet. Dann gab es zu ihrer Freude das „Schleudergerät“ im Tom Tits Experiments in Södertälje. Aber die Entscheidung, nicht nach Stockholm zu fahren, bedeutete für Leonie: kein Vergnügungspark. Aber heute, endlich: Liseberg!
Der Tag beginnt Mitte Vormittag mit einem Frühstücksei, serviert mit der Qi Gong „Kellernerübung“.
Die hellen Abende haben unseren Schlaf-Wach-Rhythmus merklich nach hinten verschoben. Einen entspannten Morgen verschaffet uns heute auch der Umstand, dass Liseberg ohnehin erst um 13 Uhr aufsperrt.
Für den Weg dorthin kennen wir uns heute bereits etwas aus, mit dem öffentlichen Verkehr. Also: Fahrrad, Bus, Bus, Straßenbahn, Bus und wir sind da! 13 Uhr, wir teilen uns davor noch zwei Pizzen, den Rest packen wir ein, für später. Zu voll soll unser Magen besser auch nicht sein.
Im Vorfeld habe ich wegen der Tickets bereits online geschaut, bin nicht schlau geworden, was aus den Optionen für uns passt. Die Hoffnung, dass es am Schalter einfacher wird, erfüllt sich nicht. Und das der Eintritt nicht günstig ist, war uns auch klar. Ok. Wir nehmen ein All-inklusive für Johannes, wenn schon, denn schon, und ein Mini-Duo für das Duo Leonie Andrea.
Leonie will mit den argen Sachen fahren, die „so ein lustiges Gefühl im Bauch machen“. Wir entscheiden uns erst für das Riesenrad, 60 m hoch, macht zum Einstieg ein ausreichend lustiges Gefühl! Obwohl wir nicht gewirbelt und geschleudert werden, ist der Platz neben Papa der Beste!
Liseberg feiert heuer sein 100 jähriges Bestehen, in den letzten 10, 15 Jahren kamen einige sehr spektakuläre Fahrgeschäfte dazu. Die Stange im Bild gehört zum Frei-Fall-Turm AtmosFear, 116 m hoch. Leonie darf mit ihrer Körpergröße nicht, Johannes und ich wollen nicht.
Ja, die Körpergröße entscheidet, womit man fahren darf, und womit nicht. Zudem gibt es die Kategorie Entsprechende Größe plus Begleitung eines Erwachsenen. Also alles ziemlich komplex, und wir brauchen einige Zeit bis wir es durchschaut und verstanden haben, dass wir noch einige „Kuponger“ nachkaufen müssen, wenn wir auch mit ein paar aufregenderen Geräten fahren wollen. Johannes sagt, so viel Geld habe er noch nie VERSCHLEUDERT. Ah, daher kommt dieser Ausdruck!
Gut, jetzt fahren und schleudern wir uns! Auf die Plätze, anschnallen, fertig, los!
Es gibt einen großen Bereich für Kinder, dort dürfen wir mit dem Duo-Mini alles. Es geht zum Teil sehr gemütlich zu, sodass man sogar während der Fahrt fotografieren kann, aber zum Teil auch ausreichend wild. Und Kinder über 110 dürfen einiges auch alleine fahren.
Als wir im Gmundner-Teeservice-Karusell gerade richtig in Fahrt kommen, wundern wir uns, weshalb wir bereits wieder langsam werden. Es war wegen uns: Johannes hat das Handy für ein Video hoch gehalten. Das darf man aus Sicherheitsgründen nicht. Ok, das Video ist trotzdem lustig geworden. Handy eingepackt und die Teetassen nehmen wieder Fahrt auf!
Immer wieder gibt es lange Wartezeiten in den Schlangen vor den Fahrten. Am längsten haben wir vor der Familienachterbahn Luna, gewartet. Johannes schätzt eine halbe Stunde. Die Fahrt dauerte 40 Sekunden, von Johannes gestoppt: „Gstört.“ Aber auch das Warten und beobachten, wie die anderen fahren, geschleudert und gewirbelt, gependelt und gedreht, gestrudelt und gehopst werden, ist vergnüglich.
Die wildesten zwei Fahrgeschäfte, mit denen wir zu dritt fahren, sind eine Einbaum in einem Wasserkanal und die Lisebergbanan, einer Achterbahn für alle, ohne Inversion, also ohne kopfüber stehen. Johannes fährt ohne uns mit der Balder, einer Achterbahn, die vollständig aus Holz konstruiert ist.
Kaum zu glauben, es ist 21 Uhr, Leonie findet es ungerecht, dass die Kinder-Geräte schon geschlossen haben, obwohl die großen noch eine Stunde fahren dürfen! Wir gehen wie viele andere auch, noch eine Runde und dann zum Bus. Bis wir zu Hause sind, ist es bereits nach 23 Uhr. Wir fallen müde, zufrieden und ausreichend durchgeschüttelt in unsere Betten.
Göteborg, midsommar, Fr 23. Juni
Heute wird midsommar gefeiert! Nach Weihnachten ist für die Schweden midsommar das zweitgrößte Fest im Jahreskreis. Alle, die Landhäuser haben, verbringen ihre Tage dort, gefeiert wird im Kreis der Familie oder mit Freunden, die Geschäfte und Lokale sind geschlossen.
Leonie hat von einer Campingplatz-Nachbarin einen ‚midsommarkranz‘ geschenkt bekommen. Er passt perfekt zum Kleid, das Leonie für das Fest vor rund zwei Monaten ausgesucht und eingepackt hat! Der Blumenkranz ist eigentlich das einzig wirklich wichtige Utensilien für dieses Fest. Und die Jause für das Picknick.
Mittags radeln wir wieder zum Bus und fahren in die Stadt. Wir kaufen unsere Jause (ich hätte gerne ein netteres Essen, für so ein Fest, aber den Camping-Umständen geschuldet gibt es eben Sandwiches und Riegel und so) und folgen der Richtung, in die anscheinend heute alle, die in Göteborg sind, gehen, in den Slottsskogen, den Schlossgarten. Dort findet ein großes, öffentliches midsommarfest statt.
Die ‚majstång‘ steht bereits. Der Ausdruck hat nichts mit dem Monat Mai zu tun, sondern geht auf das Verb ‚maja‘ zurück, was „mit Blumen schmücken“ bedeutet. Auch ich bekomme noch einen. Mangels anderer Optionen, gekauft und aus Kunstbkumen.
Der slottsskogen ist groß, es sitzen bereits zahlreiche Menschen verteilt in Wiese und das machen wir auch. Picknickdecken, Blumenkränze, Jause. Wir sind früh dran, mehr und mehr Menschen kommen. Wir schauen und staunen und freuen uns, dabei zu sein. Und die Menschen im Park werden mehr und mehr!
Es fällt auf, dass midsommar von allen Menschen gefeiert wird. Alle sind hier vertreten um den Sommer, die warmen langen Tage und das mit das Leben zu feiern. Ich wusste nicht genau, was mich erwartet und wir sind sehr angetan. Es ist ein sehr niederschwelliges Fest im besten Sinne des Wortes! Es geht ganz einfach: eine große Wiese, auf der alle Platz haben, etwas Musik, nur so laut, dass man auch gut miteinander sprechen kann, Picknickdecken und Jause. Und keiner ist ausgeschlossen. Menschen, sichtlich aus allen Himmelsrichtungen, manche in blumig schicker Sommerbekleidung, andere im Alltagsoutfit, verschiedene Landestrachten, alles geht. Auch beim Essen. Eine Gruppe junger Inder:innen oder Pakistanis hat Chips und Kekse mitgebracht. Bei anderen wiederum werden ganze Büfett von Aufstrichen, Salaten und Erdbeertorten aufgebaut. Jeder wie er mag. Blumenkränze haben viele, aber viele auch nicht. Man muss keiner spezifisch Religion oder Partei angehören, keine Freund von Brauchtum und Volklore sein, viel Geld für Tischreservierungen, erste Ränge oder sonst was, ausgeben. Es ist ein Fest, bei dem jeder und jede mit dabei sein kann. Spannend, wie es funktioniert!
Leonie peppt ihren Kunstblumenkranz mit Vergissmeinnicht und Hahnenfuss auf.
Jeder kann tun wie er will. Es aufwändig zelebrieren, oder ganz einfach, mittanzen oder zuschauen, sich ins Getümmel stürzen oder am Rand bleiben, kurz vorbei schauen oder bis in den Abend hinein bleiben. Auffällig ist auch, dass es kein Konsum fest ist. Es gibt nur einen Eisstand. Nicht zig verschiedene Buden, Standln oder sonst was, wo Essen und Trinken verkauft wird. Jeder bringt mit, was er mag. Alkohl spielt auch keine wesentliche Rolle.
Um 16 Uhr gibt es einen offiziellen Teil. Einige Musiker in schwedischer Tracht spielen Volksmusik und wer will, tanzt dazu um die ‚majstång‘ mit. Es wollen viele. Wir wollen auch. In dichtem Gedränge, in 7, 8, 9 Kreisen wird versucht den Schritt- und Tanzanweisungen zu folgen. Die Stimmung ist sehr ausgelassen und vergnügt. Man wird an der Hand gepackt und rund herum geht’s, zur Mitte und wieder retour, klatschen links, klatschen rechts. Mal ist eine Inderin mit Bindi neben einem, mal ein rothaariger Vikinger, mal ein Siebzehnjähriger in Jogginghosen, dann eine blonde blumige Prinzessin und beim nächsten Ringelreihe ein Mensch mit afrikanischem Backround. Verstehen tun wir die Anleitung bedingt, sehen die Vortänzerin auch nur bedingt. Aber irgendwie tanzt es sich! Auseinander und mit lautem Geschrei zur Mitte. Zum Fotografieren hatte ich keine Zeit und auch keine Hand frei. Dort, wo es staubt um die ‚majstång‘, wird getanzt.
Nicht alle wollen tanzen. Ich sehe eine Gruppe, die Schach spielt, zwei junge Frauen liegen nebeneinander und lesen ein Buch, manche flechten noch ihre Blumenkronen aus Material das sie dafür mitgebracht haben und manche sind mit Selfie machen beschäftigen. Eine Mutter ist damit beschäftigt, ihre zwei Burschen, die mit ihren midsommar-Blumenkleidern in das Bacherl gerutscht sind, trockenzulegen. Reden, essen, schauen, bei den Toiletten anstellen. Am midsommarfest ist die Toilettanlage im slottsskogen einfach zu klein. Aber gut, steht man halt an.
Es ist Abend. Wir sind den dritten Tag in der Stadt und haben sie immer noch nicht gesehen. Jetzt gehen wir eine Runde. Hier gäbe es, wie überhaupt in Schweden, noch so viel zu sehen. Die Straßen sind wie ausgestorben. Alles hat zu, kaum jemand ist unterwegs. Ganz zentral hat eine handvoll Restaurants geöffnet. Für die Touristen, die nicht genügend Jause eingekauft haben. Wir gehen zum Inder, freuen uns über das leckere Essen. Noch zwei, drei Straßen und dann suchen wir uns den Bus, der uns zu den Rädern bringt. Es war ein toller midsommar Tag!
Unser letzter Abend in Schweden. Leonie fängt noch ein paar Junikäfer. Wir machen uns Tee, der letzte Beutel, und wir versuchen ein kleines Resümee zu machen, versuchen aufzuzählen, worauf wir uns zu Hause freuen. Aber es geht nicht mehr lange gut, wir sind müde und müssen / wollen schlafen.
Göteborg – Kiel, Sa 24. Juni
Der Aufbruch heute morgen vom Campingplatz kommt um 10:15 etwas überraschend. Aja, wir sollen ja heute nicht nur rechtzeitig bei der Fähre sein, sondern um 11 bereits den Platz geräumt haben. Leonie und ich waren zwar schon länger wach, waren gerade mitten in der Schlacht um den Elfenbeinturm, als Johannes fragt, ob um 11 oder 12 checkout ist. Wir parken ziemlich flott zusammen und essen dann ein erstes Frühstück noch direkt am Parkplatz. Außerdem gehören wir unsere Sachen für die morgige Fahrt durch Deutschland gut verstaut und die Sachen, die wir für die Nacht auf der Fähre brauchen, müssen separat gepackt sein.
Etwas Zeit haben wir noch. Wir fahren zum Askimsbadet Strand, verkochen die Produkte, die wir noch haben – Penne und Tofu, liegen auf der Decke in der Sonne, trinken blåbär sopa (Blaubeersuppe) und versuchen die sehr aufgeregte Leonie zu bändigen.
Vor der Fähre wollen wir noch einkaufen. Jause für uns und ein paar Dinge zum Mitbringen. Schwedisches Knäckebrot und so. Der coop ist arg groß. Es ist Platz für ein ganzes Regal an Hafermilch. Wir finden Knäckebrot und noch einige andere, mehr oder weniger typische Spezialitäten. 3,5 Vol.% Bier, zum Beispiel. Und Köttbullar in Dosen.
So. Das war unsere letzte Station in Schweden. TACK FÖR DITT BESÖK. KÖR FÖRSIKTIGT!
Schweden hat uns beeindruckt. Zum einen die Landschaften, der viele Raum für Natur. Zum anderen ist in den Städten der hohe soziale Standard spürbar. Für möglichst viele wird ein guter Lebensstandard ermöglicht. Das schafft eine wohlwollende und entspannte Atmosphäre. Die Menschen, denen wir begegnet sind, schienen weitgehend zufrieden und freudig, bei dem, was sie arbeiteten. Im Allgemeinen wirken viele Menschen introvertiert in dem Sinne, dass sie nicht neugierig sind, oder schauen, was andere machen. Jeder lässt jeden in Ruhe. Aber wenn man in Kontakt geht und etwas braucht, sind sie da, freundlich, kompetent und hilfsbereit.
Jetzt geht es zur Fähre der Stena Line. Die Anlegestelle ist mitten in Göteborg am Göta älv. Um 17:45 legt die Fähre nach Kiel ab, aber bereits ab 15 Uhr ist checkin. Wir kommen um halb vier an und sind ganz froh über ausreichend Zeit. Weil schon alles ziemlich aufregend ist!
Da ist sie schon, die Stena Germanica. 240 m lang, ausgelegt für 1300 Passagiere in 495 Kabinen und über vier Kilometer Platz für Fahrzeuge.
Leonie ist so freudig flippig und aufgeregt. Wegen der Nacht auf der Fähre, aber auch wegen dem Nach-Hause-kommen. Wir inspizieren unsere Kabine auf Deck 9. Leonie bekommt die obere Etage.
Die Göteborg – Kiel Route ist 236 Seemeilen lang, macht 437 Kilometer. Die Stena Germanica, weltweit erste Schiff mit umweltfreundlichem Methanolantrieb, braucht dafür 14 Stunden.
Wir gehen auf das offene Deck 11. Wir wollen schauen, und dass machen wir dann tatsächlich bis zum Sonnenuntergang um 22:10. Zwischendurch holen wir uns die Jause und was zum Anziehen. Nur Leonie will in die Kabine. Sie hätte sich heute gern bereits um vier Uhr den Pyjama angezogen und wäre in der Kabine geblieben, weil sie es so gemütlich findet.
Wir passieren die Älvsborgsbron, die Schärengärten, eine Art Frachtschiff-Parkplatz und auch fahrende Frachter. Im Wasser sind vereinzelt Feuerquallen und unzählige Schwärme von Ohrenquellen zu entdecken. Von hoch oben, sehr faszinierend.
Jetzt geht es nach Hause, wir freuen uns! Wir hatten eine intensive Zeit, mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen, Erlebnissen und Eindrücken. Wir waren gut organisiert, hatten nicht zu viel unnötiges Zeug dabei. Wir hatten Glück, nur zwei Mini-Unfälle, einen kleinen Radlsturz mit Schürfwunde und eine zum Glück nur fast gequetschte Zehe, ein zuverlässiges Auto und von Johannes gut gewartete Räder.
Reisen. Unsere Horizonte haben sich verändert. Unsere Vorstellungen von Tschechien, Polen, Deutschland, Dänemark und Schweden sind verändert und angereichert. Und jetzt freuen wir uns auf zu Hause!
Kiel – Esternberg, So 25. Juni
Leonie wird in der Nacht wach und kann lange nicht einschlafen. Nach unzähligen erfolglosen Einschlafversuchen gehen wir, um Johannes zu schonen, auf das Deck 11. Es war halb vier und bereit in vielen Farbnuancen pastellig hell. Nur ich bin zu rot, habe gestern nicht gedacht, dass auf der Fähre Sonnencreme nötig ist.
Und um Viertel vor Fünf gehen wir, noch immer wach, nochmals eine Runde und kamen rechtzeitig zum Sonnenaufgang. Er erinnert mich stark an den Sonnenuntergang vor sieben Stunden (die meisten davon schlaflos), nur in umgekehrte Richtung.
Und wir sehen, nur für ein paar Sekunden, zwei, drei Delphine oder ähnliches, schwimmen! So unerwartet und beeindruckend! Dann schlafen wir doch ein, allerdings bleibt jetzt nicht mehr viel Zeit. Um halb acht gibt es eine allgemeine Guten Morgen Botschaft via Lautsprecher direkt in alle Kabinen. Wir parken zusammen und gehen auf Deck 11 um die Fahrt in die Kieler Förde zu erleben. Rund 17 Kilometer reicht die schmale Förde ins Land hinein.
Der Nord-Ostsee-Kanal, es werden gerade Schiffe geschleust, mündet hier in die Ostsee. Mehrere große Luxuskreuer liegen Hafen.
Pünktlich um 9:15 legt die Stena Germanica an. Dann dauert es etwas, bis 1300 Menschen das Schiff verlassen und zu ihren Fahrzeugen kommen. Wir sind in Deutschland! Jetzt liegen 932 km Autobahn bis Esternberg vor uns. Der Plan ist, dass wir die Nacht bei Johannes Eltern und seiner Schwester verbringen. Mal sehen, Johannes und ich haben nicht sonderlich viel geschlafen. Leonie schläft bereits außerhalb von Kiel wieder.
Wir sind retour in Mitteleuropa. Wir sehen die ersten vertrauten Kennzeichen, ein Wohnmobil aus Schärding, ein Petschl LKW aus Perg, Was er wohl transportiert? Knäckebrot?
Wir fahren und fahren. Es staut. Wir fahren und fahren, vor allem Johannes. Ich bin nach der sehr kurzen Nacht zu müde. Wir essen und trinken. Leonie macht homeschooling. Wir fahren und fahren, machen Toilettenpausen, wobei wir vom Goldafterbefall der Wiesen gewarnt werden, fahren und hören Deutschlandfunk.
20:45. Wir kommen nach Passau, queren die Donau und sind wieder in Österreich!
Über die Sauwald-Panorama-Strasse, lustig, kommen wir nach Esternberg. Wir kommen noch am Geburtshaus von Johannes vorbei und dann sind wir wieder da!! Die 932 Kilometer liegen jetzt hinter uns. Juhu!! Es fühlt sich wie ein erstes nach Hause kommen an. Wir werden von Johannes Schwester und ihrem Partner und seinen Papa in Empfang genommen. Seine Mama winkt uns bereits aus dem Schlafzimmer zu! Dusche, Jause, von Schweden erzählen. Und dann fallen wir, ein letztes Mal, müde in unsere Betten.
Esternberg – Fröhlichland, Mo 25. Juni
Wir sind wieder zu Hause. Nach 53 Tagen, nach 4730 Kilometer und fünf Länder, sind wir heute wieder nach Hause gekommen!
In Ottensheim nehmen wir die Fähre und zu Hause werden wir von Rosa mit einem überdimensionalen Willkommensgruß in Empfang genommen! Auch Leonie’s Freunde aus dem Dorf jemand Hupen gehört und gewusst, dass können nur wir sein, die so laut „ZU HAUSEEEE“ rufen!